Ich liebe mich
hören ließ.
Babette, die nicht unter Föhn litt, fiel unvermittelt die Tante ein. Sie drückte den Gedanken weg: Hoffentlich kommt sie nicht! Hoffentlich kommt sie nicht! Dabei kam ihr Stephanie in den Sinn, Stephanie, die sie heute in der Dolmetscherschule gesehen und übersehen hatte. Das ärgerte sie nachträglich. Vielleicht weil sie sie mochte.
Stephanie wiederum war nicht verwundert gewesen, daß Babette sie schnitt. Es gefiel ihr sogar, sprach für das Mädchen, das sie, als es Gast im Hause war, einfach schofel behandelt hatten.
Stephanies Mutter litt sehr unter Föhn. Sie war depressiv, launisch und allein. Alles ging ihr auf die Nerven, die kleinste Störung, die Kinder, der Vater — alles.
Auch Hilde war nervös. Vielleicht lag es am Chef? Hatte er wieder Beschwerden mit dem Kreislauf? Er strahlte Unruhe aus, Unzufriedenheit. Der Chef war jetzt in dem Alter, da man an Nachfolge denkt, und litt, so gut glaubte sie ihn zu kennen, unter der Tatsache, daß sein einziger Sohn unbedingt Arzt werden wollte. Nur eins verstand sie nicht:
Warum er sich unter diesen Umständen so für die zukünftige Schwiegertochter einsetzte? Täglich mußte sie ihn mit dieser Babette verbinden. Sogar in Konferenzen ließ er sich stören. Warum suchte er nicht in seinem großen Bekanntenkreis nach einem talentierten jungen Mann aus der Branche für seine Tochter Stephanie, um auf diesem Weg die Nachfolge zu sichern? Aber Männer haben sich ja immer so mit ihren Söhnen!
Heute war ein schöner Tag für Erich. Endlich ging’s wieder einmal mit dem Chef über Land, isaraufwärts nach Wolfratshausen, eine Strecke, die sie noch nie zusammen gefahren waren. Die meisten Herren, mit denen der Chef zu tun hatte, wohnten in München, am Starnberger See oder Tegernsee.
»Entschuldigen Sie, Herr Direktor, wenn ich mal ‘ne Frage habe: Wie steht’s denn mit’n Osthandel? Ich würde so gerne mit Ihnen mal nach Dresden fahren! Die Zeit vergeht, wer weeß, ob ich’s noch mal wiedersehe.«
Der Chef machte einen Scherz, Erich fühlte sich verstanden und betätigte die Automatik für das Trennfenster. »Onkelchen wir haben was ganz Tolles vor«, hatte Babette ihm erklärt. »Ich weiß, du mußt vorsichtig sein, aber hör mir erst mal zu und unterbrich mich nicht gleich. Unsere Clique, das sind die Netteren in der Schule, brauchst keine Angst zu haben, deine Tochter ist nicht dabei, also, wir wollen eine Floßfahrt machen auf dem Isarkanal. Mit Kapelle! Alle bringen ihre Freunde mit. Ich kann da nicht kneifen. Und da dachte ich, vielleicht könntest du eine Ausnahme machen, nur das eine Mal? Ist doch ganz unverfänglich, so draußen in der Landschaft. Und offiziell bist du ja mein Onkel.«
Er hatte einen leichten Anzug gekauft, sich im Werk umgezogen — man konnte naß werden, und in der Badehose wäre er sich albern vorgekommen unter den jungen Leuten. Dazu trug er ein Hemd mit kurzen Ärmeln, was er sonst haßte. Segelschuhe hatte er vergessen! Aber wenn eine Kapelle an Bord war, würde es ja wohl einen trockenen Fleck auf dem Floß geben. Sein Gewissen plagte ihn, der Ausflug war an sich nicht zu verantworten. Schon wieder hatte er Termine abgesagt. Jetzt konnte er nichts mehr ändern. Er mußte vorsichtig sein. Erich würde ihn am besten im Ort absetzen. Die Lände würde er schon finden. Es mußte nach Zufall aussehen. Vielleicht sollte er sich doch eine Badehose kaufen?
»Erich, halten Sie mal!«
Es gibt immer noch Autos, die ausgefallen oder selten genug sind, um bestaunt zu werden. Kinder kamen über die Straße, junge Männer beschleunigten ihre Schritte.
»Was ist los, Erich, die Tür klemmt.«
Erich öffnete das Trennfenster.
»Nee, Chef, die klemmt nich. Das is die Zentralverriegelung. Damit Sie mir unterwegs nich rausfallen.«
»Dann machen Sie sie auf!« Eine Kindernase drückte sich breit und weiß gegen ein Fenster. »Das heißt, lassen Sie zu! Fahren Sie weiter! Wir sind ja wohl gleich da.«
Erich hatte Mühe, das lange Auto aus dem Kreis der Neugierigen zu bugsieren.
»Sehen Sie, Chef, wie gut unsere Verriegelung ist! Sonst hätten Sie jetzt ‘ne halbe Schulklasse auf’n Schoß.«
Im Rückspiegel sah Erich, wie der Chef den Kopf zurücklegte. Er schloß das Trennfenster behutsam wie eine Schlafzimmertür. Auch er hätte gerne die Augen zugemacht, fühlte sich müde, betätigte einen Schalter für Frischluft und dachte, wie schön es wäre, jetzt statt nach Wolfratshausen nach Dresden zu fahren. Irgend
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