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Ich liebe mich

Ich liebe mich

Titel: Ich liebe mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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verschwindet sie hinter zuckenden Rücken.
    Babette greift nach seinem Krug.
    »Kompliment! Du hattest natürlich keinen Unfall.«
    »Ich fürchte, du kannst es morgen in der Zeitung lesen.«
    Er zieht die Jacke aus, wartet auf ein persönliches Wort von ihr, wie schrecklich das sei, was er habe durchmachen müssen, oder daß sie sich freue, jetzt. Da sie nichts sagt, fragt er.
    Ihre Umsicht ist ihm peinlich.
    »Wir dürfen uns nichts anmerken lassen, Onkelchen. Für mich war Steffi genauso eine Überraschung.«
    Babette hat recht! Stephanie beobachtet sie, ruft herüber: »Zieh den Bauch ein, Papi!«
    Sie lachen wie ein verlegenes Pärchen. Stephanie zuckt näher, mustert ihren Vater.
    »Du in kurzen Ärmeln! Seit wann denn das?«
    Babette greift sich einen überdurchschnittlich Behaarten zu rhythmischer Verrichtung, Stephanie folgt ihnen. Onkelchen-Vater setzt sich auf ein Brett, trinkt lange — noch nie hat ihm Bier so geschmeckt —, läßt sich nachschenken, reicht Stephanie den Krug und Babette, wenn sie vorbeitanzen, zwingt den Blick weg von den kräftigen Händen, die ihre nackten Taillen umfassen, hinauf zu den Schönheiten des Isartals, die er unmittelbarer nie wahrgenommen, genießt den Achterbahnkitzel, wenn das Floß hinausschießt über die Staustufen der Wehre, hält sich fest, nachdenklich, als rudere Charon ihn über den Styx.
    Wann bin ich dran Bis das Bier ihn mit allem versöhnt. Er ruft nach den Mädchen, daß sie ihre Tänzer stehenlassen, zieht Schuhe und Socken aus, krempelt die Hosenbeine hoch, streckt die Füße ins Wasser, Steffi zur Rechten, Babsi zur Linken, oder umgekehrt, summt, die Hände schwelgerisch auf den jungen Schultern, die Melodie mit, daß die Mädchen aufmerken. Sie können nicht wissen, wie sehr ihn dieser alte Schlager beschwingt, der in Mode kam, als er so alt war wie die beiden jetzt. Nicht stören ihn die Bemerkungen der Jünglinge.
    »Schau dir den Alten an!«
    »Gleich mit zweien!«
    »Und da heißt es immer, wir seien unbescheiden.«
    »Laß ihn! Den nimmt doch keine ernst.«
    Sollen sie reden. Er ist dabei. Allein das zählt. Der Tod hat zugegriffen in unmittelbarer Nähe, als wolle er ihm sagen: Nutze die Zeit! Er nutzt sie, summend, hält die Jugend fest, die Füße im Wasser. Und noch als die Kapelle längst übergegangen ist zu den Weisen ihrer Generation, hält er summend fest an dem alten Schlager.

    Seine Frau besucht jetzt regelmäßig einen Yogakurs. Manche nennen es auch eine Art Kosmetik von innen. Mit nützlichen psychischen Nebenwirkungen. Man nehme nichts mehr so wichtig. Nur noch durchatmen und entspannen...
    In einem Saal, vom Aroma sich heftig bewegender Menschen gebeizt, fanden sie zusammen, zweimal die Woche, Beladene aller Klassen und Kassen, turnerisch gewandet, von der Strumpfhose bis zum Olympiadreß, breiteten mitgebrachte Decken und Badetücher auf bereitliegende Matten, legten sich, ohne einander zu begrüßen. >Wir schweigen«, stand draußen angeschrieben. Wie die meisten kam auch seine Frau früher als erforderlich, zog sich um, legte sich und atmete den Alltag aus, um bereit zu sein, wenn die Stunde beginnt. Leise wurde die Tür geöffnet und geschlossen. Aus ihrer Mäuseperspektive sah sie die Sandalen des Meisters, groß und zuverlässig zwischen den Matten, seine durchatmete Gestalt im weißen Arztmantel, der für das Vertrauen so wichtig ist. Er setzte sich auf einen Hocker an der Stirnseite des Saals, neben ein Tischchen, entzündete Räucherkerzen, die den linden Schweißgeruch zur Decke drängten. Aufrecht, die Hände entspannt auf den Oberschenkeln ruhend, schloß er die Augen und begann feierlich mit Endgültigem zum Eingewöhnen.
    »Steh auf! Erwache!
    Was machst du?
    Wenn der Körper vergeht
    soll er in Arbeit vergehen.
    Das Göttliche in dir und andere
    zu erwecken ist das Ziel.«
    Nach jeder Sentenz: Durchatmen.
    »Der Wahrnehmende ist reiner Geist,
    und obgleich er rein ist,
    wird seine Schau
    durch die Färbung des Verstandes bestimmt.«
    Andächtig hockten die Suchenden in jener, weniger an Buddha als an Schneider Wibbel erinnernden Haltung, die im Westen mit dem Lotossitz verwechselt wird, und hielten die Benommenheit, die sich einstellt, wo immer Abendländer den Atem anfassen, für Versenkung. Der reine Geist kann durch die Färbung des Verstandes auch vernebelt werden. Dann begannen die Asanas, Verwindungen des Körpers, die mit großem Ernst geübt wurden. Letzten Endes läuft es aufs gleiche hinaus, ob einer

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