Ich liebe mich
sich darüber Gedanken mache. Man mußte die Dinge trennen. Jetzt galt es zu erfahren, was sein Kind sich dachte. Und er fand für seine Frage den richtigen, kameradschaftlichen Ton. Stephanie wußte, was sie wollte.
»Ach weißt du, Papi, ganz umsonst soil’s nicht gewesen sein. Irgendwie möchte ich beim Fach bleiben. Nur sozusagen die Sparte wechseln.«
Wie vernünftig. Wie diplomatisch. Das war seine Tochter. Er stimmte zu. Sofort. Grundsätzlich. Blieb nur die Frage, was sie sich unter der neuen Sparte vorstelle.
»Die Dolmetscherschule.«
»Aber Kleines! Ist das nicht ein gewagter Sprung?«
Seinen Worten nachlauschend, fällt ihm auf, wie ichbezogen die Psyche auf Schreck antwortet. Gewagt für wen? Während er sich mit Besteck und Geschirr um Gelassenheit müht, lobt seine Frau Fremdsprachen als Sprungbrett. Mit Englisch und Französisch stehe einem jungen Menschen die Welt offen.
In seiner Tasse rührend, nickt der rührige Vater, sieht sich vom Schicksal um die Ironie geprellt und die beiden Mädchen in derselben Klasse. Wo soll er parken, wenn er Babette abholen will? Bietet die neue Entwicklung auch Vorteile? Golo hat Mutter und Tochter abgelenkt: Unter diesen Gesichtspunkten könne Stephanie sogar einen Ausländer heiraten, oder mehrere, falls sie nicht den Fehler begehe, auf einen Italiener hereinzufallen. Aber das habe sich wohl inzwischen erledigt. Stephanie bleibt dem Zwillingsbruder die Antwort schuldig, worauf sich Golo an seinen Vater wendet.
»Die Dolmetscherschule soll einen sehr flirtiven Ruf haben. Weißt du das, Paps? Frag doch die komische Ziege, die mal hier war, was es damit auf sich hat. Die tat so ungeheuer erfahren.«
Lachende Zustimmung von Mutter und Tochter.
»Ja, frag doch mal deine Elvira.«
»Das ist nicht meine Elvira.«
»Etwa unsere?«
Sie kamen überein, Stephanie solle sich die Dolmetscherschule erst einmal ansehen. Herkules bekam nichts mehr vom Butterhörnchen, so sehr er sein ehemaliges Herrchen auch fixierte.
Zum Mittagessen traf er sich mit Babette in einer billigen Studentenwirtschaft, obwohl er eigentlich im paneelierten Restaurant der Aufsichtsräte erwartet wurde. Er unterrichtete sie von Stephanies Vorhaben, aber Babette hatte selbst zu viel erlebt, um ihm folgen zu können. Sie war shopping gewesen, wie sie sich ausdrückte, und voll der Eindrücke. Beim Bezahlen steckte er ihr ein paar Scheine zu, worauf sie zärtlich seinen Arm drückte.
»Du bist so gut zu mir! Wie ein lieber Onkel. Du, das ist überhaupt die Idee!«
»Was?«
»Ich nenne dich von jetzt ab Onkelchen. Wie findest du das? Wenn wir für uns sind, kann ich ja etwas anderes sagen. Muß mir mal einen Kosenamen ausdenken. Du, noch was: Ich hab mir heute im Vorbeigehen ein Appartement angesehen. Neubau. Stand ‘n großes Schild vor, Komfortwohnungen zu vermieten. Zwei geräumige Zimmer, wirklich schön! Du hast selbst gesagt, daß es mit der Wirtin auf die Dauer nicht geht. Ich glaub, sie hat schon was gemerkt. Und wenn Tante Elvira mal vorbeikommt...«
Er rief im Werk an, disponierte um. Auf Hilde war Verlaß. Im Taxi fuhren sie zur Besichtigung. Geschmack hatte Babette, daran gab es keinen Zweifel. Frei aus der Vorstellung richtete sie ein, die Farben der Teppiche, Vorhänge und Polstermöbel aufeinander abstimmend, wobei sie ihn hin und wieder zärtlich umarmte.
»Na Onkelchen, was sagst du? Da sind wir ganz für uns. Und baden können wir auch.«
An Föhntagen stehen manche Menschen wie unter Strom. Sie können sich nicht konzentrieren, fremde Einflüsse strömen durch sie hindurch, gegen die sie sich nicht zu isolieren vermögen, Mikrowellen erzeugen Kurzschlüsse im Kopf. Sie laufen träumend in fahrende Autos, verfehlen Treppenstufen, verletzen sich bei einfachsten Verrichtungen.
Auch Elvira litt unter Föhn, lag auf der ausziehbaren Doppelcouch, dachte an den sich rar machenden Pan, während dieser auf dem grünen Ledersofa in seinem Büro lag, eine zu fällende Entscheidung begrübelnd und sich wunderte, daß ihm dabei Elvira einfiel. Seit Tagen plagte er sich mit Vorwürfen. Er mußte sie anrufen. Der Ordnung halber. Aber er rief nicht an, auch jetzt nicht, entschuldigte sich vor sich selbst mit einer psychologischeren Lösung«. Sein Schweigen sollte ihr sagen, was er meinte. Das hatte Elvira längst gemerkt. Jetzt aber, als empfange sie wie ein Funkgerät seine Gedanken, fühlte sie sich plötzlich zum Narren gehalten, hintergangen. Zumal ihre Nichte ebenfalls nichts
Weitere Kostenlose Bücher