Ich liebe mich
glaubt, durch Jesus gesund zu bleiben oder durch Yoga.
Seine Frau, nicht überzeugt, wirkte nicht überzeugend. Der Meister trat zu ihr.
»Sie turnen noch. Wollen Sie nichts. Lassen Sie >Es< geschehen. Ganz aus dem Atem.«
Ein weiter Weg — das sah sie ein. Sie wußte, daß sie ihn nicht zu Ende gehen würde. Zu störend empfand sie die Nähe der anderen, der verfilzten Skisocken vor allem, in denen sich ihr Vordermann versenkte, unmittelbar über ihrem gepflegten Haar. Zumutungen für das ästhetische Empfinden sind wenig dienlich, um sich einzuschwingen in Nächstenliebe und Harmonie mit der Welt.
»Sehr teuer! Sehr luxuriös!«
Elvira schritt die Möbel ab wie die Front einer Ehrenkompanie. Ins Schlafzimmer ging Babette voraus, einen Regenmantel in der Hand, um damit den blauen Herrenanzug abzudecken, der hinter einer Schrankecke hervorschaute. Das Manöver mißlang. Stoffkundig befühlte Elvira den Ärmel der Jacke.
»Ich schäme mich für dich!«
Babette sprach von Zufall, von hilfsbereiten Menschen, und wieso sich die Tante nicht mit ihr freue, es müsse doch auch für sie eine Beruhigung sein, daß sie so hübsch wohne. Aber die Tante hielt den Ärmel.
»Erzähl mir nichts! Was ich hier sehe, genügt mir. Das ist die Wohnung eines ausgehaltenen Mädchens.«
»Tante Elvira!«
»Ich würde sogar sagen ein >Liebesnest<. Aber es ist mir zu widerlich.«
Noch einmal bemühte Babette den Zufall und den Plural, als handle es sich um ein Kollektiv von Mitschülern, die ihre Ersparnisse zusammengelegt hätten, um ihr diesen Rahmen zu ermöglichen. Tante Elvira befaßte sich unterdessen mit der Hose.
»Dein Galan hat ungefähr einen Meter Bundweite. Demnach dürfte es sich um keinen Mitschüler handeln, sondern um einen älteren Jahrgang.«
»Und wenn...?«
»Läuft die Wohnung wenigstens auf deinen Namen?«
»Das ist alles geregelt.«
Endlich trennte sich Elvira von dem Anzug.
»Sehr tüchtig! Geradezu ekelhaft tüchtig.«
Babette vergaß ihre gute Erziehung. Wenn sie ihr die Wohnung nicht gönne, solle sie es sagen, und was sie das überhaupt angehe. Tante Elvira wurde noch hoheitsvoller.
»Mein liebes Kind, dieser Ton steht dir nicht. Ich gönne dir deinen Luxus. Ich bin nur besorgt. Solche Verhältnisse pflegen nicht ewig zu dauern.«
Die Zimmertür stand offen. Von der Diele war ein Schlüsselgeräusch zu hören. Onkelchen trat ein, nicht strahlend wie ein Verehrer, der noch klingeln muß, sondern müde, abgespannt: hart arbeitender Ehemann bei Zwischenlandung.
Sein Blick hebt sich, die gewohnte Zärtlichkeit entgegenzunehmen; er hält inne, vollzieht die kleine Drehung.
»Elvira! Wie schön, dich wiederzusehen! Es klingt jetzt sicher dumm, aber schon seit Tagen will ich dich anrufen. — Babsi mach mir bitte einen Kaffee! — Gut schaust du aus! Ich rufe dich morgen an, bestimmt. Entschuldige mich jetzt, ich habe zu arbeiten. Gar nicht so einfach in dieser Stadt ein ruhiges Plätzchen zu finden!«
»Ach, du arbeitest auch hier!«
Wie versprochen rief er sie an, ließ sie erzählen, wie einen Kameraden von früher. Er vermied das Wort Oper, sie die Anrede Pan. Er fragte, ob er etwas für sie tun könne; sie lehnte dankend ab. Es ging ihr nur noch um das Niveau, auf dem die endgültige Trennung stattfinden sollte. Elvira besaß Fertigkeit im Abschiednehmen, haßte Vorwürfe, schied nobel, um nachzuwirken. Wer sie verließ, dem sollte es eines Tages leid tun; wen sie nicht halten konnte, dem wollte sie >... doch die beste von allen...< gewesen sein. »Mach’s gut, mein Lieber. Und sollte es dich einmal danach dürsten: bei mir gibts immer Kaffee.«
Sie legte auf. Einen Augenblick dachte sie daran, seine Frau anzurufen, um zu fragen, ob er schon zu Hause sei oder sich noch in seinem neuen Refugium in der Stadt aufhalte, das sei ja sehr geschmackvoll eingerichtet, da spüre man die Hand der Frau. Aber sie unterließ es: Er würde an sie denken.
Die Hand noch auf dem Apparat, saß er in seinem Drehsessel, links auf dem Schreibtisch die Empirelampe, ein Weihnachtsgeschenk seiner Frau, rechts Bilder der Familie im Faltetui und ein großes silbergerahmt: Stephanie im Reitdreß.
Das wäre auch erledigt — gute alte Elvira
Auf dem weißen Frotteetuch mit der grünen Klammer liegt der selbsternannte Mitarbeiter.
»Manchmal staune ich über mich, Doktor. Man sollte nicht meinen, daß ein Dutzend Gespräche so viel Aufhellung und Ermunterung bewirken können. Bloß weil man über Dinge spricht,
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