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Ich liebe mich

Ich liebe mich

Titel: Ich liebe mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Neuigkeiten, aßen reihum, erstanden Unnötiges zur Erinnerung an den herrlichen Urlaub, liefen und liefen, einander versichernd, wie gut sie sich erholten, begegneten immer denselben Leuten, einem Herrn vor allem, der auch im Quisisana wohnte und ihnen so deutlich sprechbereit zunickte, daß es fast schon beleidigend war, ihn nur stumm zu grüßen.
    Seit Tagen versucht er Babette zu erreichen. Zu verschiedenen Zeiten. Außer frühmorgens, oder spätabends. Ungewißheit ist schlimmer als Sehnsucht. Die Nummer stimmt. Hilde, die immer Erreichbare, hat eine Anrufprobe gemacht: Der Teilnehmer meldet sich nicht. Auf Hilde ist Verlaß.
    Dieser verfluchte Wagen — aber was sollte ich machen — oder ist sie krank — ein Eingriff — nicht auszudenken
    Der sprechbereite Herr aus dem Hotel ist am Ziel. Seine Frau hat sich lange mit ihm unterhalten. Er sei Industrieller, sagt sie, Westfale, habe seinen Betrieb der Belegschaft vermacht und lebe in Meran.
    »Soso, Liebes, du siehst da Parallelen. Dann sind heimliche Wünsche im Spiel. Wenn er’s ohne Verantwortung aushält... Aber warum setzt er sich nach Meran? Ich würde in München bleiben.«
    »Ich denke, du willst ein Häuschen am Waldrand?«
    »Das war deine Idee! Für mich gibt es nur München. Natürlich ist es hier auch schön, aber anders, fremder. Ein Kontinentaler bleibt ein Kontinentaler.«
    »Wir sollten ihn zum Abendessen einladen. Wenn’s dunkel wird, tut er mir immer leid«, sagt sie.
    »Wenn du meinst — bitte.«
    Sein Verstand leistet Generalstabsarbeit:
    Das Lokal an der Piazza, wo das Telefon neben den Toiletten ist — möglichst spät — neun halb zehn — am besten Blitzgespräch
    Die Verbindung klappt. Aber Babette ist nicht zu Hause. Er dämpft seine Unruhe mit Vino Tiberio, das Lachen seiner Frau stört ihn, er drängt ins Hotel zurück, nimmt noch einen Tiberio mit, trinkt im Bett, um den Schlaf herbeizuzwingen, während sie liest, quält sein Bewußtsein, das ihn quält, mit schmerzlichen Vorstellungen:
    Babsi mit jungen Männern beim Tanzen in einem Schwabinger Lokal, Babsi mit einem Mann in ihrem Wagen, in seinem Wagen, ein Kuß, endlos, er will zu ihr, kann sich nicht bewegen, liegt am Boden, kann nicht schreien...
    Hinter ihm das Lachen seiner Frau. Er fährt hoch.
    »Was ist los?«
    »Entschuldige. Ein köstliches Buch! Da ist eine Party von jungen Leuten beschrieben — das mußt du lesen! Wenn ich da an uns denke. Sehr komisch!«
    »Und ich kann nicht schlafen!«
    »Dafür hast du recht wacker geschnarcht.«
    Der Gatte läuft ins Bad, bleibt lange, hört sie wieder lachen, kommt zurück, kriecht neben sie, will bemerkt werden. Ohne von ihrem Buch aufzusehen, nimmt sie Notiz.
    »Du solltest nicht so viel trinken! Du mußt zu oft raus neuerdings. Vielleicht eine Erkältung?«
    »Lies weiter, Liebes! Laß dich nicht stören.«
    Strecken, gähnen, wegdrehen, der Puls ist wieder ruhig. Seine Frau löscht das Licht, dreht ihren Rücken gegen den seinen und überdenkt noch einmal das Angebot, auf der Rückreise einen Abstecher nach Meran zu machen: Bis Mailand mit dem Flugzeug, dort könnte Alois sie abholen mit dem Wagen...
    Endlich schien die Sonne. Es war windig, aber warm. Er klagte über Kopfschmerzen. Seine Frau meinte, es sei nur der Wein, und empfahl Yogaübungen. Im Schlafanzug legte er sich auf den Boden, willens, alles zu tun, um sich wohl fühlen zu können.
    »Solange du deinen Atem nicht beruhigen kannst, hat es keinen Sinn. Du schnaufst wie eine Dampfwalze.«
    »Entschuldige, Liebes. Ich kann nicht, wenn du zuschaust! Laß uns schwimmen geh’n. Das ist immer noch die natürlichste Entspannung.«
    »Ich finde das nicht gut mit deiner Erkältung. Du mußtest schon zweimal raus. Dabei haben wir noch gar nicht gefrühstückt.«
    Das sah der Gatte ein, gab sich vernünftig und leidend zugleich. Seine Frau sollte vorausgehen mit dem Herrn aus Meran, er würde mit Hilde telefonieren und nachkommen. Das Blitzgespräch bringt nicht Babettes geliebte Stimme, was ihn um diese Zeit nicht überrascht. Sie ist in der Schule. Aber er muß handeln, telegrafieren, schreiben, Blumen schicken. Er entscheidet sich für den Brief. Schon bei der Anrede bremst die Hand. Er kann nicht schreiben, wie er will. Unmöglich. Sie würde ihn für sentimental halten. Wie drückt sich diese Generation schriftlich aus? Vor allem darf er nicht mit seinem Namen unterschreiben. Und Capri nicht erwähnen. Am besten auch keine Gefühle. Und keine Ironie. Dafür ist

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