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Ich liebe mich

Ich liebe mich

Titel: Ich liebe mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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beruhigende Stimme. Freundlich erklärt sie, daß sich der Doktor zur Zeit in Urlaub befinde, ohne zu sagen, wo, berichtet, wann die Sprechstunden wieder anfangen, wann man anrufen möge um Vereinbarungen zu treffen, erklärt dieses sei das Ende der Durchsage, wer etwas zu sagen habe, finde in den nächsten zwanzig Sekunden hierzu Gelegenheit und möge jetzt bitte sprechen.
    Er legt auf, wartet auf den Schmerz, der sich auch einstellt. Die Backe schwillt, der Whisky kann es nicht hindern. Hitze kommt in Wellen.
    »Eine Infektion!« hätte seine Frau diagnostiziert.
    »Sie tun mir so leid!« hätte Hilde gesagt und ihm Tabletten gegeben.
    Das Telefon klingelt. Es dauert, bis er den Hörer am Ohr hat. Er kann nicht sprechen, nur stöhnen. Ins Leere, ohne Antwort. Eine Ewigkeit erträgt er den hämmernden Puls, das Klopfen im Kiefer, bis bei nachlassendem Schmerz ein Druck bewußt wird. Aus Vorsicht hinkend schleppt er sich ins Bad, sieht sein verschwollenes Gesicht im Spiegel. Wieder das Telefon. Es muß nach Mitternacht sein. Er will nicht sprechen mit denen, die ihm Babette nehmen. An allem ist nur Capri schuld, diese verdammte Liebesinsel. Wie muß sie das gekränkt haben. Er wird ihr sagen, wie schlecht er sich fühlt, nicht ihren Trotz wecken mit verständnisvollem Geplauder, sondern ihr Mitleid erzwingen. Benommen ist er, doch der Schlaf hat gutgetan. Der Schmerz ist jetzt erträglicher.
    Endlich!
    Babette kommt nach Hause. Wie über Funk gerufen. Lang steht sie an der Tür. Die Schwellung erschwert ihm das Sprechen.
    »Entschuldige. Es geht mir wirklich schlecht.«
    Seine Worte platzen wie Luft aus kochendem Kartoffelbrei. Das rührt sie. Sie lächelt spärlich.
    Er zwinkert, gleichsam tapfer, winkt sie zur Zahnbesichtigung herbei. Sie setzt sich aufs Bett, leuchtet mit der Lampe in seinen Mund, sie riecht nach Rauch und ein wenig nach Alkohol.
    Sie spricht wenig, aber sie handelt, umsichtig und fürsorglich. Das nasse Tuch auf der Backe kühlt viel besser als das von Hilde; der Tee, den sie ihm mit einem Strohhalm zum Trinken gibt, kräftigt ihn wirksamer, als die Suppe zu Hause. Er lächelt glasig. Babette wird zutraulicher. Sie bedauert, keine Kamille da zu haben, keine schmerzstillenden Tabletten, zieht sich im Zimmer aus ohne hinter die Schranktür zu treten, verspricht, ihn morgen früh zum Arzt zu fahren. Als das Telefon klingelt, faßt sie sich kurz. Sie erneuert die Kompresse, wendet das Kissen, fühlt seinen Puls und kommt ins Bett.
    Ach ja
    Sie überläßt ihm ihre Hand. Das Nervensystem schaltet um, seine Hände werden einfallsreich, die Kompresse rutscht weg, Babsi wehrt sich vorsichtig, ihr zarter Widerstand animiert ihn, jetzt wehrt sie sich, er läßt nicht ab, ringt sie nieder, stößt mit der Backe gegen ihre Schulter, daß der Fünfte oben links sich aus der Reihe biegt, nach innen, der Zunge entgegen, die schneller als es die Geschwulst eigentlich erlaubt, Worte der Liebe formulieren muß, atemlos, wie ein Geständnis bei vorgehaltener Pistole. Babsis Nerven schalten anders, krümmen ihr die Finger zu Krallen, die ihn zerkratzen, während ihrer Zunge ungleich geschliffenere Sätze gelingen, ätzende, geeignet, einen Mann zu lähmen. Er schwelgt in Unklarheiten. Schmerz, Zärtlichkeit, Gewalt, Lust. Sie reagiert zielstrebiger, dreht sich plötzlich, reißt das Knie hoch. Ein Aufschrei, Sekunden der Stille, der Bewegungslosigkeit, wie nach einem Unfall.
    Er kauert, die Hände vor dem Gesicht, Blut rinnt aus seinem Mund über den Handrücken den Unterarm hinauf. Ohne ein Wort verwünschen beide den Ablauf.
    Die rationelle Menschenfreundlichkeit einer Krankenhausnacht beginnt: Er liefert den Anlaß, sie den Service. In kurzen Abständen wechselt sie Kompressen; unter ihren Händen verliert der Patient zusehends an Individualität. Er schwillt zu, entrückt. Seine einzige Äußerung ist Schweiß. Sie tut, was die Stunde erfordert, plagt sich mit dem nach altem Mann riechenden Bündel Mensch, vor dem ihr ekelt, wie es daliegt, weich und hilflos, meidet die Bahn seines fauligen Atems, raucht und trinkt dagegen an und tut doch alles, ihm die Schmerzen zu erleichtern. Er tastet nach ihr, lallt, sabbert, sie wischt ihn ab, hält das Ohr an seinen Mund: Morphium will er. Sie kennt jemanden, der Opiate beschaffen kann. Zu jeder Zeit.
    Es dauert lange, bis der angehende Arzt kommt. Sie hat sich gewaschen und ihren Morgenrock angezogen. Sie erklärt ihm nichts; er stellt keine Fragen. Ein paar Anweisungen,

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