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Ich liebe mich

Ich liebe mich

Titel: Ich liebe mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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eigentlich noch arbeiten — ach ja
    Seine Atemzüge wurden länger und lauter, gingen in Schnarchen über. Babette nahm die Hände von den Tasten.
    »Komm!«
    »Und wenn er aufwacht?«
    Im Kuß steigt sie aus den Schuhen, sie stehlen sich ins Schlafzimmer, legen nur frei, nicht ab. Trotz des gleichbleibenden Geräusches, das beruhigend herüberdringt, beherrschen sie den Atem, bemühen sich leise und flink zu sein. Die Umstände sind reizvoller als das Geschehen, das sie ermöglichen. Babette setzt sich wieder an die Schreibmaschine, schlägt ein paar Buchstaben an, das bislang modulierende Röcheln reißt mit einem pointierten Grunzton ab, der ausgestreckte Körper zuckt, fährt hoch.
    »Jetzt bin ich aber dran!«
    Lächeln empfängt ihn.
    »Du gehst jetzt schön nach Hause. Wir machen noch fünf Seiten, dann ist Feierabend.«
    Er überlegt. Sie lächeln.
    »Also gut. Aber morgen fange ich an! Es macht mir Spaß. Ich frische vieles auf, was ich längst vergessen habe. Wenn Sie um zehn kommen, genügt das völlig. Gegessen wohlbemerkt. Damit wir nicht zu viel Zeit verlieren.«
    Babette bekommt einen Handkuß, der junge Mann bringt ihn hinaus. Am Lift abschließende Ermahnung.
    »Machen Sie wirklich bald Schluß. Es wird sonst zuviel für Babette.«
    Noch ein Lächeln, ein Nicken.
    »Und vielen Dank für Ihre Einladung.«
    »Aber bitte.«
    Als der Lift abfährt, verschwinden die Beine mit einem übermütigen Sprung hinter der Wohnungstür. Der Champagner meldet sich wieder; übliche Zwischenstation im Hof.
    Ich muß eingeschlafen sein — ist auch alles ein bißchen viel — wenigstens schnarche ich nicht

    Im Bett greift er zum Telefon. Belegtzeichen.
    Hat sie ausgehängt — oder er ist schon weg und sie telefoniert mit ihm — daß man sich davon nicht frei machen kann — ach ja
    Er geht ins Bad, zupft sich drei Haare aus den Ohren, wundert sich, daß er sie bisher übersehen hat, ruft wieder an. Er geht die Treppe hinunter, holt sich im Eßzimmer einen Magenbitter gegen das Sodbrennen — Sodbrennen bekommt er sonst nur auf Bier — ruft wieder an. Noch viele Beschäftigungen, immer unsinniger, immer kürzer wechselnd mit dem immer gleichbleibenden Zeichen:
    Besetzt.
    Bis die Natur sich gnädig erweist, seinem Schmerz einen Partner beigesellt — den Fünften oben links. Er konzentriert sich auf ihn, die Ungewißheit zu lindern, bis es im Kiefer zu klopfen beginnt, daß er weder liegen noch stillsitzen kann. Er weckt seine Frau. Während er sie unterrichtet, fühlt er, wie das Klopfen nachläßt.
    »Hauch mich mal an.«
    Sie weicht zurück.
    »O ja. Sicher alles vereitert.«
    Sie gibt ihm Tabletten, fühlt seinen Puls, sucht, um noch wirksamer helfen zu können, nach einem Nachschlagewerk über Erste Hilfe, und gibt ihm, da sie es nirgends finden kann, noch eine Tablette. Alles wird ruhiger, ferner, unwirklich. Bleiern streckt er sich aus, wo er saß: auf dem Bett seiner Frau.

    Hilde spiegelte Anteilnahme in angemessenem Verhältnis zu dem Schmerz den er schilderte, nicht den er hatte. Sein Befinden war, chemisch ausbalanciert, ordentlich. Er hatte sogar kauen können beim Frühstück.
    Während Hilde mit dem Zahnarzt einen Termin vereinbart, ruft er Babette an. Die Leitung ist frei. Aber niemand meldet sich. Sie muß in der Dolmetscherschule sein. Hilde bringt eine feuchte, aromatisch duftende Serviette.
    »Bitte Herr Direktor, das kühlt.«
    Dankbar drückt er ihren Arm, hält die Kühlung an die Backe. Auch Hilde gibt ihm Tabletten, fühlt seinen Puls. Jetzt leidet er mit Genuß, leidet simultan und das so konzentriert, daß ihm sogar die Besserung entgangen wäre, hätte nicht ein Ferngespräch gestört.
    Bonn war in der Leitung. Das oft vertagte Gespräch zwischen Wirtschaftsführern und Kanzler solle endlich stattfinden. Der Kopf ist klar: Er kann jetzt nicht wegfahren. Auf keinen Fall. Er hätte keine ruhige Minute. Wenn er ernstlich krank wäre, müßten sie auch ohne ihn auskommen. Trotzdem: er wird verreisen.
    Hilde und die Familie wurden dürftig informiert. Seine Frau warnte ihn, die Behandlung nicht aufzuschieben und sich vor Zugluft zu hüten; er nickte, löffelte das verstärkte Süppchen, das sie ihm hatte kochen lassen, um den Zahn nicht zu ver grämen.
    Seit er ein Ziel hat, sind die Schmerzen weg. Psychosomatisch — würde der Doktor sagen. Wie lange war er nicht mehr dort?
    Vom Flughafen, wohin ihn Alois gebracht hat, ist er mit dem Taxi zurückgefahren. Babette muß noch in der Schule

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