Ich liebe mich
dicker Brief: Die Wohnungs- und Wagenschlüssel. Und nicht ein Wort. Kein Gruß — nichts. Da hab ich mich gefragt: Wenn du jetzt die Augen zumachst, wer würde dich vermissen? Stephanie? Ja, ihr würde ich fehlen. Vielleicht. Und meiner Sekretärin. Meine Frau würde sich auf die neue Situation umstellen. Mich hat sie eigentlich nie verstanden. Sie hat ihre Interessen und begreift nicht, wofür ich mich plage. Eine traurige Bilanz. Ich war völlig verzweifelt. Hilde — das ist meine Sekretärin — mußte mir Schlaftabletten besorgen, ich sagte, ich hätte wieder Schmerzen im Kiefer. Dann hab ich sie nach Hause geschickt, mich an meinen Schreibtisch gesetzt und mein Testament gemacht, dabei auch Babette bedacht — sie sollte nie vergessen können, was sie mir angetan hat. Dann hab ich mich auf mein Sofa gelegt, die Tabletten genommen und war eigentlich ganz guter Dinge. Ich hatte sogar Selbstironie, fragte mich noch: Willst du wirklich Schluß machen? Aber da war ich wohl schon halb hinüber, erinnere mich erst wieder an irgendeinen Arzt, der sich an mir zu schaffen machte und zu jemand sagte: >Lassen Sie ihn ausschlafen. Gefahr besteht keine mehr.< Merkwürdig, daß ich das behalten habe. Meine Familie weiß von nichts. Ich übernachte gelegentlich im Werk. Ja, Doktor, und jetzt sitze ich hier und erzähle, als wär’s ein Schnupfen gewesen. So unwichtig ist das alles.«
Dem Doktor fällt die Leichtigkeit auf, mit der hier die letzte aller Konsequenzen behandelt wird. So spricht, nach aller Erfahrung kein Verlassener, dem auch der Freitod noch mißlang. Hier stimmt etwas nicht. Der selbsternannte Mitarbeiter ist zwar längst Patient, aber er hat noch Hemmungen. Deshalb bevorzugt der Doktor für seine Fragen einen heiteren Plauderton:
»Sie waren sich doch darüber im klaren, daß diese Verbindung eines Tages aufhören würde?«
Die neuen Zähne blitzen, beide Hände winken ab.
»Jugend gehört zu Jugend, ein Naturgesetz, ich weiß...« Der Doktor lächelt.
»Sagten Sie nicht einmal: Daß der reife Mann zum jungen Mädchen dränge, sei auch eines?«
»Sie brauchen gar nicht so ironisch zu werden, Doktor. Ich frage mich nur; warum mußte es nach... atemberaubendem Anfang so unschön enden? Ist das auch ein Naturgesetz?«
»Vielleicht hat das Mädchen mit ihnen den eigenen Vater zu überwinden versucht. So was kommt vor.«
»Hervorragend, Doktor! Das ist die Erklärung. Sie kannte ihn nämlich gar nicht. Und nachdem sie mich als Mann erlebt hat, war sie das Vaterbild los. Jetzt kam ein jüngerer Mann. So einfach ist das. Und was habe ich gelitten! Immer gefürchtet, ich würde ihr nicht genügen...«
Er ist aufgesprungen, läuft hin und her, sieht alt aus mit den neuen Zähnen. Der Doktor hat gehört, was er vermutet und fragt nach Träumen. Der Mitarbeiter bleibt stehen, überlegt. »Nein. Das heißt, irgend etwas war da mal mit Stephanie. Sie mußte wegfahren... Genauer kann ich mich nicht mehr erinnern. Es war zu viel inzwischen.«
»Aber zuerst ging es Ihnen gut?«
»Wie selten. Ich war in bester Kondition, bin jeden Morgen mit Stephanie geritten...«
»Und wann kam das Leiden?«
»Das kann ich Ihnen genau sagen: Als wir auf Capri waren.«
»Sie und Ihre Frau.«
»Natürlich ich und meine Frau. Das war’s ja.«
»Und wie hat sich das Leiden geäußert?«
»Ja, also... es war immer ein Druck da, ein Drang und dann ging’s nicht.«
»Haben Sie’s Ihrer Frau erzählt?«
»Wir haben kaum darüber gesprochen. Sie war sehr verständnisvoll, wollte unbedingt, daß ich schnellstens zum Arzt gehe.«
»Und was sagte der Arzt?«
»Ich muß gestehen, ich war noch gar nicht dort. Obwohl, Stephanie hat mich auch bekniet. Aber es ging ja ganz gut, zunächst.«
»Ich denke, das Mädchen hat Sie schlecht behandelt?«
»Das schon, aber...«
Überraschend unterbricht ihn der Doktor mit der Frage: »Oder hat Sie das nicht weiter gestört?«
Der Mitarbeiter schluckt.
»Meine Tochter fand, ich sei zu schade für sie. Und zu alt.«
»Ach, Ihre Tochter wußte davon?«
»Die Mädchen kennen sich.«
»Und sie war dagegen.«
»Und wie! Ich hab sie wirklich geliebt.«
»Ihre Tochter?«
Immer schneller kamen die Fragen. Jetzt bremst der Mitarbeiter.
»Sie machen mich ganz konfus.«
»Und dann fing die Sache mit den Zähnen an?«
Der Mitarbeiter nickt; sein Blick ist bemüht leidvoll. »Verstehen Sie jetzt, daß es einfach zu viel war? Was schaun Sie mich so an, Doktor?«
»Wenn ich Ihnen sage: Für
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