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Ich liebe mich

Ich liebe mich

Titel: Ich liebe mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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nicht mehr ausweicht.
    »Sich heimlich aus dem Leben stehlen wollen, die Familie sitzen lassen — ganz schön feige!«
    Ihre Stimme zittert. Er versucht strengen Vaterblick aufzusetzen, will sich diesen Ton verbitten, aber Stephanie läßt sich nicht einschüchtern.
    »Schlafmittel! Wie eine hysterische Diva! Und sich noch rechtzeitig finden lassen...«
    Sie will ihm wehtun, das ist ihm klar. Er faßt nach ihrer Hand.
    »Komm, Kleines, laß dir in Ruhe erklären...«
    »Nenn mich nicht Kleines...«
    Tränen rinnen ihr über das Gesicht, sie reißt sich los, läuft aus dem Zimmer.

    Seine Frau saß neben dem Telefon und las, um nicht nachzudenken. Als der Apparat klingelte, nahm sie ab und sprach ein warmes Hallo in die Muschel. Eine aufgeregte Hilde entschuldigte sich, so spät noch zu stören und begehrte den Herrn Direktor zu sprechen. Seine Frau nutzte die Gelegenheit, fragte Hilde, ob sie die Durchsage im Fernsehen gehört habe. Deswegen riefe sie an, sagte Hilde. Das sei gezielter Rufmord, von gewisser Seite, sie könne sich schon denken woher, weil das Werk mit einem Staatsauftrag bedacht worden sei. Solche Praktiken seien heute unter Konkurrenten leider keine Seltenheit. Geduldig hörte seine Frau zu, erfuhr Einzelheiten über den dynamischen Führungsstil ihres Mannes, von denen sie keine Ahnung hatte, von seiner Umsicht, Geschäftigkeit, Güte und Willenskraft, seinem stillen Kampf mit körperlichen Beschwerden — ein Wunder von einem Menschen. Sie fühlte sich müde, drängte zum Schluß, sie erwarte ein Ferngespräch, ihr Mann werde zurückrufen. Doch Hilde sagte, es eile. Sie hatte bereits mit der Zeitung gesprochen. Noch sei Zeit für eine Entgegnung. Wenn diese am nächsten Tag erschien, konnte man die Sache als Meldung bringen. Übermorgen würde man bereits dementieren müssen. Und das sehe immer schlechter aus. Um die Leitung freizubekommen bat sie Hilde, alles Nötige sofort zu veranlassen. Die Redaktion könne ja rückfragen. Aber bitte erst in einer halben Stunde.
    Nachher machte sie sich Vorwürfe, ihn nicht doch gerufen zu haben. Aber warum sollte sie immer Rücksicht nehmen?

    Anderntags stand es in der Zeitung, lapidar, einleuchtend, eigentlich eine Warnung, wie’s einem so gehen kann wenn man, überarbeitet, im Schmerz zu Mitteln greift, ohne genau hinzusehen. Die perfekte Hilde hatte den Text selbst verfaßt; die Meldung begann mit der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes. Jetzt mußte das Fernsehen dementieren. Sogar Golo schien zufrieden.
    »Hat Hilde prima gemacht. Selbstmordversuch nach Ordensverleihung — das glaubt in Deutschland niemand.«
    Nur Stephanie gelang es, unter vier Augen, die wiedergewonnene Zufriedenheit ihres Vaters zu zersetzen.
    »Und alles wegen diesem Biest! An uns hast du überhaupt nicht gedacht.«

    Zwei Tage später zeigte sich der verdiente Wirtschaftsführer bei den Geburtstagsfeierlichkeiten für einen greisen Politiker mit allen Orden und Gemahlin. Das gutaussehende Paar wurde reichlich geknipst und auch der Fernsehzuschauer konnte sich davon überzeugen, daß sie glücklich waren.
    Als sie über die Prinzregentenstraße nach Hause fuhren, war er glücklich.
    »Dank dir, Liebes, daß du mitgekommen bist. Wer sich zeigt, hat nichts zu verbergen.«

    Nachforschungen ergaben, daß das Dementi der Wahrheit recht nahekam. Vor Aufregung über das schlechte Befinden ihres Chefs hatte Hilde wichtige Briefe, die sie einwerfen wollte, liegen gelassen, war noch einmal umgekehrt und hatte ihn ungewöhnlich tief schlafend vorgefunden. Der junge Arzt, den sie aus einer der werkseigenen Arbeiterwohnungen zu Hilfe gerufen hatte, war mit der Tochter eines Konkurrenten aus der Branche verlobt — eine Verkettung, die Indiskretion nahezu unvermeidlich macht.
    Als er überlegte, was dagegen zu unternehmen sei, fiel ihm ein Satz ein, den Paul in Meran über die deutsche Vergangenheit gesagt hatte: >Einmal muß ein Schlußstrich gezogen werden, sagen die Leute. Und es ist immer so, wie die Leute sagen.< »Was war ich für ein Narr! Aber ich habe diese Verirrung gebraucht. Sie war psychologisch sehr wichtig für mich. Irgendwie ist es doch ein Naturgesetz. Du bist die erste und einzige, mit der man über alles reden kann. Fast ein Leben muß man warten, bis man verstanden wird! Meine Frau, du weißt, ich schätze sie in ihrer Art, aber für meine Probleme hat sie sich nie interessiert. Sie will Ruhe, Altenteil. Und das bei einem Mann wie mir! Laß uns ein tätiges Leben

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