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Ich liebe mich

Ich liebe mich

Titel: Ich liebe mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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eine Erschütterung sind Sie mir zu abgeklärt, zu zufrieden — geschieht das nur zu Ihrer Information. Welche Schlüsse Sie daraus ziehen ist Ihre Sache.«
    Der Mitarbeiter lächelt, atmet tief.
    »Ach Doktor, Ihre Ironie entwichtigt sogar das Elend. Nach einem Gespräch mit Ihnen habe ich immer das Gefühl, alles muß so sein, es ist richtig, wie ich es mache.«
    Der Doktor schüttelt den Kopf.
    »Sie nehmen mich schon wieder als Instanz!«
    Belustigt zeigt der Mitarbeiter alle neuen Zähne.
    »Ich wüßte keine bessere.«
    »Ich warne Sie.«
    Die Stunde ist zu Ende. An der Tür ein Scherz zum Abschluß.
    »Halten Sie mich immer noch für einen ganz gewöhnlichen Ehebrecher?«
    Der Doktor lächelt.
    »Für einen außergewöhnlichen!«

IV

    Ach ja
    Heute würde er sich ganz seiner Familie widmen. Erst nach neun Uhr würde er wegfahren, zu einem Zeitpunkt, da nach gemeinsamem Abendessen und Fernsehdösen ohnehin jeder seinen persönlichen Interessen nachgeht. Im Regionalprogramm würde vielleicht die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes mit Schulterband und Stern wiederholt werden und er konnte das erhebende Ereignis im Kreise seiner Lieben in aller Ruhe wiederkäuen. Seit man wieder Zeit hatte, fügte sich alles günstig und von ganz allein. Man konnte sogar wieder an sich selber denken. Auch gesundheitlich ging es besser.
    Golo schaltete nach mehrmaliger Aufforderung den Fernsehapparat ein. Frage der Tochter:
    »Willst du heute Familie spielen?«
    »Vielleicht könnt ihr mich noch mal sehen, beim Bundespräsidenten«, antwortete der Vater ruhig.
    »Du setzt voraus, daß wir dich schon gesehen haben«, fuhr die Tochter fort. »Dem ist nicht so. Aber wir sind selbstverständlich gespannt, unseren berühmten Vater simultan bewundern zu können.«
    Endlich Flimmerbild aus Bonn. Der Bundespräsident, außerhalb seines Kopfes erdachte Feierlichkeiten schülerhaft ablesend, weiches Händeschütteln in der faden Hotelpensionspracht bundesdeutschen Repräsentationsraumes. Weiteres Händeschütteln unter Männern mit starken Hälsen. Zum Abschluß groß der Orden in seinem Seidenbettchen mit Deckel.
    Die Familie schwieg; der Vater verordnete einen anderen Kanal: Überregionale Nachrichten; niemand hörte zu.
    Bis der Name fiel.
    Der verdiente Wirtschaftsführer, kürzlich mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet, habe, wie erst jetzt bekanntgeworden sei, in seinem Büro einen Selbstmordversuch unternommen. Über die Motive sei nichts bekannt. Golo stellte den Lautsprecher leiser:
    »Was soll das? Stimmt das? Sag doch was!«
    Stephanie lief aus dem Zimmer; seine Frau, äußerlich ruhig bleibend, gab ihm ein brauchbares Stichwort.
    »Das ist doch eine Intrige!«
    Als Mann der Öffentlichkeit weiß er, wie seine Antwort ausfallen muß: Ohne Affekt und stichhaltig. Unter der Formel >politische Intrige< spinnt er ein Netz von Mutmaßungen, deutet >gewisse Kreise< an, vermutet >undichte Stellen< im Werk und kommt beiläufig auf den Anlaß zu dieser ungeheuerlichen Falschmeldung: Bagatellfall, nicht der Rede wert, er selbst habe überhaupt nichts bemerkt. Während er spricht, fällt ihm das Dementi ein, das er gleich morgen früh an die Presse geben wird: Schmerzen nach umfangreicher Zahnbehandlung; Zeuge: der Zahnarzt. Verwechslung von schmerzstillendem mit Schlafmittel, beide ärztlich verordnet; Zeuge: die Sekretärin.
    Die Fülle der Argumente überwältigt ihn. Seine Frau findet beruhigende Worte. Vielleicht liege überhaupt eine Verwechslung vor. Er solle sich nicht aufregen, möge an seinen Kreislauf denken. Die Zahngeschichte habe ihn sehr strapaziert. Im übrigen sei es ihr egal, was die Leute annähmen. Das war knapp und klar. Golo teilte die Ansicht seiner Mutter nicht.
    Zu Tisch saß er allein mit den Zwillingen. Seine Frau blieb in ihrem Zimmer, um ein Ferngespräch zu erwarten, wie sie sagte. Golo aß wenig und erhob sich bald.
    »Entschuldige, ich muß gehen.«
    »Mitten im Essen? "Was sind das für Sitten?« fragte der Vater.
    Er hatte sich Stephanie zugewandt, aber sie starrte auf ihren Teller, sah aus, als habe sie geweint. Mit ihr würde er noch sprechen müssen. Golo schob den Stuhl an seinen Platz.
    »Ich will den Kindern gute Nacht sagen. Sie sollen sich an mich gewöhnen. Ich habe eine Verantwortung übernommen. Entschuldige also. Und vergiß nicht das Dementi!«
    Zurück bleiben Vater und Tochter. Jetzt, unter vier Augen können sie reden. Und schweigen. Stephanie sieht ihn an, lange, bis sein Blick ihr

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