Ich mach mich mal dünn - Neues aus der Problemzone
Gemeinschaft essen will, ohne dauernd etwas erklären zu müssen, der braucht eine Leidensmiene und eine gute Geschichte. Markus hat das zu Hause schon eingeübt – falls es wirklich mal ernst wird beim Geschäftsessen und wichtige Verträge, Kunden, Abschlüsse oder Angebote auf dem Spiel stehen. Er wird dann seinen Teller nur bescheiden mit Salat füllen und auf den ersten grimmigen Blick warten, um in einen geheimnisvollen Flüsterton zu verfallen: »Mehr hat mein Arzt verboten«, wird er raunen. Markus kann sich darauf verlassen, dass die meisten Menschen taktvoll schweigen – nicht nur aus Mitleid, sondern auch aus Eigennutz. Wer hört schon gerne Schauergeschichten aus dem Unterbauchgewölbe?
Advents-Askese im Alltag
Klaus hat ein ganz eigenes Überlebenskonzept für Magen und Hirn entwickelt. Dem liegt – na klar – eine wissenschaftlich fundierte psychologische Erkenntnis zugrunde: Weil der Mensch ein Gewohnheitstier ist, macht er gern immer wieder das Gleiche. Leider verschwindet mit jeder Wiederholung der Zauber des Außergewöhnlichen. Das heißt: Der erste Dominostein am ersten Advent ist eine Offenbarung; danach geht’s nur noch bergab, bis Klaus die schwarzen Würfel nicht mehr sehen kann. Weil Gewohnheit der Feind der Lust ist, durchbricht er das eine, um das andere zu steigern. Im Ernst, das funktioniert: Er hat seine Theorie im letzten Jahr in der Praxis erprobt; am ersten Advent gab’s Lebkuchen, am zweiten Marzipanbrot, am dritten Spekulatius, am vierten zum ersten Mal Zimtsterne und zu Weihnachten dann endlich ein Stück Stollen. Damit Klaus den Höhepunkt seiner Lust am Sonntag so richtig genießen kann, bleibt sein Alltag im Dezember zuckerfrei. Er wirkt zwar am Anfang ein bisschen
komisch, wenn er die selbst gemachten Kekse seiner backwütigen Kolleginnen im Vorbeigehen ablehnt und dabei was von Luststeigerung fürs Wochenende erzählt, doch es wirkt. Die Backdamen lassen ihn in Ruhe (und spekulieren hinter seinem Rücken eifrig über sein Liebesleben); die männlichen Kollegen haben schon nach seinem Rezept gefragt.
Runter mit den Erwartungen
Nicht vergessen: Bei allen Weihnachtsfreuden verdrängen wir gern, dass der Wunsch nach Frieden, Freude und Schokokuchen auch viel Frust bringt. Frust, der wiederum Hunger macht. Stundenlanges Kampf-Shoppen in überhitzten Kaufhäusern und kein vorzeigbares Ergebnis? Da ist der Weihnachtsmarkt doch das beste Therapiezentrum. Die Nase führt direkt zu den zuckrigen Trösterchen. Familienstreit (statistisch gesehen an Feiertagen höchstwahrscheinlich) tut besonders weh, wenn alle eigentlich ganz lieb zueinander sein wollen. Da ist Frustfuttern vorprogrammiert. – Was hilft? Erwartungen runterschrauben und cool bleiben.
Richtig dick wird man nämlich nicht zwischen Weihnachten und Neujahr, sondern zwischen Neujahr und Weihnachten.
39. Jäger der verlorenen Schürze
Der Mann von heute kann kochen. Schließlich machen es Jamie, Tim und ihre Freunde im Fernsehen pausenlos vor – und die beiden haben Schlag bei den Frauen
Dass Chili nicht nur die Suppe scharf macht und auch Möhren in ein Verführungs-Menü gehören, hat sich bei ambitionierten Hobbyköchen inzwischen rumgesprochen. Und davon gibt es immer mehr. Seit die Fernsehköche sexy wurden, hat auch der männliche Trendsetter Einzug in die Küche gehalten – um in einer Welt, in der kein Platz mehr für Jäger und Sammler ist, ein letztes großes Abenteuer zu erleben.
Bereits auf dem Wochenmarkt kann sich der semiprofessionelle Maître beweisen. Er muss schneller sein und sich gegen die Konkurrenten die saftigsten Brocken sichern. Im Schutz von Gemüseständen und Blumenkübeln, um die sich die Frauen scharen, hat er längst mit geschärftem Blick den Fleischwagen von Bauer Lemcke ausgemacht, sich angeschlichen und in der Auslage die Haxe seiner Begierde entdeckt. Von gegenüber naht ein Kochkumpel, der ihm das beste Beutestück streitig machen könnte.
Express-Abbiegung nach links, antäuschen und von hinten wieder an die Fleischtheke sprinten. Blitzschnell zugreifen. »Darf’s vielleicht ein bisschen mehr sein?« – »Ja, warum denn nicht? Der monströse Rostbraten da drüben und ein, besser gleich zwei badelakengroße T-Bone-Steaks.« Und dann mit schwer schleifenden Einkaufstaschen zurück in die Höhle – äh, Küche. Auf direktem Weg …
… ohne Umweg über den Gemüsekarren. Das labberige Grünzeug kommt ihm nicht in die Tüte. Wenn er kocht, gibt’s was
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