Ich mach mich mal dünn - Neues aus der Problemzone
mit aller Wucht und machte alles wieder kaputt.
Die vier Dezemberwochen sind wie ein Rundum-Kahlschlag. Hier findet das ganz große Vorsatz-Killen statt. Gute Pläne? Werden einfach weggestoßen. Im zwölften Monat läuft der Schweinehund zu Hochform auf. Er hat jetzt extrascharfe Zusatzargumente parat, die ihm nur im Advent zur Verfügung stehen. Bei den Damen setzt er auf »Romantik« und »Nächstenliebe«. Isis Hund zum Beispiel lässt sich beim Gang zum Supermarkt nicht unter dem Schild »Ich muss leider draußen bleiben« anbinden. Er geht einfach mit rein und lauert auf die besten Momente, um am Ende doch noch Kuchen & Co. abzustauben:
Isi (denkt): »Ich habe nur zehn Euro dabei. Die reichen für Obst, Salat und Zimtjoghurt.«
Schweinehund (denkt): »Ich sag hier vorne mal besser nichts. Wenn wir in der Weihnachtsecke sind, hab ich leichteres Spiel.«
Isi steuert ihren Wagen zielstrebig in die Gesund-Ecken und hält sich tatsächlich an ihre Einkaufsliste: Äpfel, Apfelsinen, Naturjoghurt, Zimt.
Der Schweinehund schweigt tapfer weiter und trottet mit Pokerface hinter Isi her. Er weiß aus Erfahrung, dass sein Auftritt erst kurz vor der Kasse am effektivsten ist. Dann wird Isi entspannter sein, weil sie ihre Pflicht schon erfüllt hat. Und zwar mit Erfolg, der ja bekanntlich Flügel verleiht.
Als die beiden in den letzten Gang biegen, wirft der Schweinehund einen Blick in Isis Wagen und lobt sie überschwänglich:
Schweinehund: »Ganz große klasse, Isi. Super, dass du bis hierhin eisern durchgehalten hast. Da sind nur gesunde Sachen im Wagen! Siehste, ist doch gar nicht so schwer. Jetzt nur noch bis zur Kasse – das wird ein Triumph!«
Isi (lächelnd): »Oh, danke. Ich merke selbst, wie prima das geht. Ich weiß gar nicht, warum es früher so schwer war.«
Schweinehund: »Du bist jetzt einfach eine Stufe weiter und brauchst den ganzen Süßkrempel nicht mehr. Das ist ja auch eine Frage der Intelligenz.«
Isi: »Süß, Kleiner, aber übertreib mal nicht. Ich würde eher sagen, das ist eine Frage der Gewohnheit.«
Schweinehund (schmeichelnd): »Vielleicht beides? Kluge Leute können Gewohnheiten ändern. Bewusst genießen. Klasse statt Masse. Essen mit Köpfchen. Da reicht eine Kleinigkeit zum Glück.«
Bei dem Wort »Glück« rücken die Weihnachtstische in Isis Sichtfeld. Lebkuchenduft kommt auf. Ein himmlischer Chor singt »Leise rieselt der Schnee« – Isi wird ganz warm ums Herz.
Schweinehund (andächtig flüsternd): »Schön hier, nicht wahr? Bleib doch einen Moment stehen. Guck mal all die Köstlichkeiten an: Elf
Monate haben wir sie nicht gesehen, aber jetzt sind sie endlich wieder da. Da könnte man doch glatt...«
Isi: »Nein, bloß nicht jetzt noch auf den letzten Drücker. Wir sind schon so weit gekommen.«
Schweinehund: »Gut, dass du durchhalten willst. Also nur gucken, nicht an fassen.«
Isi (nimmt mit leicht verklärtem Blick die Zimtsterne in die Hand): »Nur gucken und anfassen, aber nicht essen.«
Schweinehund: »Und mal dran riechen.«
Isi: »Lecker! Nur gut, dass wir kein Geld mehr haben.«
Schweinehund: »Na ja, das stimmt ja wohl nicht ganz. Für ein kleines Marzipanschwein würde es noch reichen. Für ein klitzekleines.«
Isi: »Keine Ausnahmen! Du weißt doch, wenn ich einmal damit anfange …«
Schweinehund: »Das Argument zählt nicht. Weihnachten ist nur einmal im Jahr.«
Isi: »Stimmt. Und wenn ich mit dem Durchhalten doch Schwierigkeiten bekommen sollte, kann ich das Schwein immer noch weiter verschenken. Ich brauche sowieso noch ’ne Kleinigkeit, wenn meine Schwester mit den Kindern kommt.«
Schweinehund: »Dann nimm für die Kinder doch gleich das Multipack. Ist billiger, und du musst nicht noch mal los, wenn der Besuch kommt.«
Isi: »Dann müssen wir aber die Äpfel und einen Joghurt zurückbringen. Sonst reicht das Geld nicht.«
Schweinehund: »Okay. Das muss dann wohl sein.«
In den dunklen Tagen unterwandert das Gefühls-Essen selbst hartgesottene Figurstreber. Denn jetzt kommt’s emotional von allen Seiten: »Im Dezember ist Essen doch total romantisch. Das gehört einfach zur Jahreszeit«, sagt Sabine, die, der Figur zuliebe, seit einigen Monaten im Zusammenhang mit Schlucken jedes Gefühl unterdrückt. »Auch im Job kann ich jetzt nicht >Nein< sagen«, erklärt sie, »sonst kann ich mich nirgends mehr sehen lassen.«
Markus geht’s nicht anders.
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