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Ich mach mir Sorgen, Mama

Titel: Ich mach mir Sorgen, Mama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wladimir Kaminer
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kleine Krokodile heraus …«
    »Und was ist mit dem dritten Krokodil?«, fragte Sebastian.
    »Das dritte ist nur ein Nachbar, es hat mit der Sache nichts zu tun«, antwortete ich. »Also, die Mama setzt sich auf die Eier drauf, und der Papa besorgt ihr etwas zu essen, damit sie nicht verhungert …«
    »Und das dritte Krokodil?« Sebastian gab nicht auf.
    »Mensch, vergiss das dritte Krokodil! Es spielt gar keine Rolle, hat hier nichts zu suchen.« Das verdammte dritte Krokodil ließ sich sexuell nicht erklären.
    »Junger Mann, wie können Sie einem Kind nur so einen Schwachsinn erzählen«, redete mich eine mollige Frau von der Seite an. »Die Krokodile sind doch keine Hühner, sie sind Kaltblüter und sitzen nicht auf den Eiern, sondern vergraben sie im Sand.«
    Wer hat denn dich gefragt?, dachte ich, sagte aber: »Entschuldigung, das habe ich vergessen. Es stimmt natürlich. Sie vergraben ihre Eier im Sand. Das tun wir doch alle, nicht wahr? Vielen Dank für die Auskunft!«
    »Guck mal, was das dritte macht!«, rief Sebastian laut.
    Das dritte war auf das zweite zugeschwommen und arbeitete sich an ihm hoch. Daraufhin machte es das Maul auf und erstarrte. Die vermeintliche Mama von ganz unten hörte auf, herumzuwedeln. Alle drei schienen einander schon lange zu kennen. Diese verfluchten Krokodile taugten überhaupt nicht für die sexuelle Aufklärung, außerdem sahen alle drei zu maskulin aus. Selbst bei der angeblichen Mama hatte ich große Zweifel, ob es seine Eier jemals eingraben würde. Das nächste Mal gehen wir zu den Kaninchen, beschloss ich.
    »Aber im Groben hast du doch verstanden, wie es geht?«, fragte ich auf alle Fälle meinen Sohn beim Nachhausegehen.
    »Ja«, meinte Sebastian, »es ist doch viel umständlicher, als ich dachte.«
    »Was du nicht sagst, Junge, was du nicht sagst«, seufzte ich erleichtert.

Vaters Geburtstag
    Langsam, aber unausweichlich steuerte mein Vater auf seinen siebzigsten Geburtstag zu. Wie zu jedem Jahrestag wurde er drei Wochen vorher depressiv und wollte nicht feiern. Wir quälten uns mit der Frage, was wir ihm diesmal schenken sollten, damit sich seine Stimmung wieder hob. Sonst hatte er jedes Jahr eine Flasche Irgendwas von uns geschenkt bekommen. Dabei konnten wir sicher sein, dass unser Geschenk das Geburtstagskind erreichte: ob Whiskey, Wodka oder guter Wein, er bedankte sich und trank alles aus. Seine Laune wurde davon jedoch nicht besser.
    Dieses Jahr wollten wir ihm deswegen etwas anderes, etwas Besonderes schenken. »Vielleicht einen Korkenzieher?«, schlug meine Frau vor. Auf der Suche nach dem richtigen Geschenk besuchten wir einen Edelramschladen in der Oranienburger Straße, der voller lustiger Sachen war. Allerdings wusste ich nicht so recht, ob ein springender Plastikpenis meinem Vater noch Freude bereiten würde. Auch die sprechende Fußmatte und das Kartoffelgewehr beeindruckten uns nicht richtig. Ich hatte vorher noch eine Lesung in Italien und dachte, vielleicht werde ich dort ein originelles Geschenk für meinen Vater finden. Ich rief ihn von dort aus an.
    »Hallo, Papa, ich bin in Florenz!«
    »Schön für dich.«
    »Soll ich dir irgendetwas mitbringen?«
    »Ja.«
    »Und was?«
    »Einen Kugelschreiber.«
    Das war sein Standard-Geburtstagswunsch, der nichts als eine Provokation war. Mit leeren Händen flog ich zurück nach Berlin. Der Termin rückte immer näher, und wir waren immer noch ratlos. Also gingen wir zu einem russischen Lebensmittelladen, um dort eine große Flasche Wodka zu kaufen. Immerhin besser als nichts! Dort hing an der Wand ein Werbeplakat:
    »Die Schönheit rettet die Welt! Achtung, Männer! Neu auf dem Markt! Die ultimative Männercreme ›Gebrüder Klitschko‹ hilft gegen Stress und Depressionen. Sie bekommen eine ganz neue Haut und können wieder lachen!« Das klang sehr verlockend und schien genau das Richtige für meinen Vater zu sein.
    Warum eigentlich nicht?, dachte ich und kaufte die Dose. Zu Hause las ich aufmerksam die Beschreibung: »Unglaublich zart und dramatisch feucht«, stand dort. Die wichtigste Komponente von »Gebrüder Klitschko« sei eine natürliche Pflanze aus Asien, die für eine sofortige Wirkung sorge. Die Pflanzenteile führten dem Organismus wichtige Wirkstoffe zu, die für gute Laune rund um die Uhr sorgten. Die Haut würde dabei immer praller, sie spanne sich und werde von innen gestrafft. Und das war noch nicht alles! Am Ende würde jeder eine nagelneue und gut riechende Haut bekommen. Ein tolles

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