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Ich mach mir Sorgen, Mama

Titel: Ich mach mir Sorgen, Mama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wladimir Kaminer
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sich verirrt haben und eigentlich zu einer anderen Serie gehören. Aber inzwischen sind sie aus der Weihnachtskrippe nicht mehr wegzudenken.
    Mein Sohn Sebastian mag dagegen nur bewaffnete Playmobil-Figuren, das heißt Piraten, Ritter und Wikinger. Davon hat er eine ganze Armee im ehemaligen Schlafzimmer stationiert. Seine Armee ist sehr mobil – sie kann die Kaserne schnell verlassen und überall auftauchen, wo sie gebraucht wird. Ich habe Sebastians Truppen schon im Badezimmer gesehen, mit dem Auftrag, unsere Marfa auf dem Katzenklo einzukesseln.
    Manchmal nimmt Nicole die Dienste von Sebastians Armee in Anspruch. Wenn der allein erziehende Vater nach vorne kippt, was oft passiert, weil sein Bart vom Hersteller falsch proportioniert wurde und zu schwer ist, dann ruft Nicole ihren Bruder: »Sebastian, Gott ist krank!«
    »Ich komme sofort!«, ruft Sebastian zurück, und innerhalb von zehn Minuten wird das Gästezimmer von seiner Armee besetzt. Sebastian hilft dem Alten auf die Beine und schwört Rache. »Wer hat das gemacht?«, fragt er.
    »Die Krankenschwester hat ihn geschubst«, erklärt Nicole.
    Sebastian startet sofort eine Offensive gegen die Krankenschwester, sie wird mit aller Härte niedergemetzelt und sogar mit Motorrädern aus der Luft bombardiert. Danach zieht sich die Armee wieder ins Schlafzimmer zurück.
    Ich versuche tagsüber, die Küche nicht zu verlassen. Nur dort kann man in Ruhe rauchen und lesen. Außerdem kann man kaum mehr einen Schritt durch die Wohnung wagen, ohne irgendein Playmobil-Leben zu zerstören. Erst abends, wenn die Kinder schlafen gehen, nimmt meine Frau einen Besen und fegt alle Playmobil-Figuren zu einem großen Haufen zusammen. Dann kann man die ganze Nacht durch die Wohnung laufen.

Das dritte Krokodil
    Manchmal bilde ich mir ein, ich würde meinen Sohn gut verstehen. Dann denke ich, ich könnte die Welt mit seinen Augen sehen: Du bist schon vier Jahre alt, also kein Baby mehr, und das meiste in deinem Spielzeugkasten ist kaputt. Die Autos haben keine Räder, der Teddybär hat ein Auge verloren, das Plastikschwert vom Herrn der Ringe ist an mehreren Stellen geknickt, im Tischfußball-Spiel fehlen mehrere Fußballer, und der Ball ist auch nicht mehr da. Aber das alles interessiert dich nicht mehr, denn du hast die Welt der Erwachsenen entdeckt, all die wunderbaren Spiele, die ihren Alltag bestimmen: Freundschaft, Liebe, Streit, Fernsehen, Internet, Musik, Bier, Mädchen.
    Doch manchmal wirft diese Welt Fragen auf. Sebastians ältere Schwester geht schon in die Vorschule, sie kennt sich mittlerweile in der Welt der zwischenmenschlichen Beziehungen gut aus, und wenn sie Fragen hat, kann sie sich immer an ihre Mutter wenden, die in diesem Bereich ein Profi ist. Und zu wem soll der kleine Junge gehen, wenn er mit der Erwachsenenwelt nicht klarkommt? Zu mir natürlich. Macht er aber nicht. Sebastian glaubt, alles von vorneherein besser zu wissen als ich.
    »Ich weiß«, sagte er neulich zu mir, »wie man ganz schnell ganz viele Kinder bekommt. Ich möchte zum Beispiel zehn Jungs und acht Mädchen haben.«
    »Du weißt gar nichts, Junge«, konterte ich, »zum Glück hast du mich, ich werde dir alles erklären.«
    Irgendwo hatte ich gelesen, dass die sexuelle Aufklärung am besten am Beispiel von Tieren funktioniert. Also fuhren wir am Wochenende in den Zoo. Mein Plan war, dort irgendwelche afrikanischen Kaninchen zu finden und Sebastian anhand dieser Kaninchen aufzuklären. Er wollte aber keine Kaninchen, sondern nur Krokodile sehen, die zurzeit zusammen mit Drachen und Dinosauriern seine Lieblingstiere sind. Sexuelle Aufklärung mit Krokodilen stellte ich mir kompliziert vor, aber versuchen konnte man es ja trotzdem. Wir gingen ins Aquarium. Drei Krokodile dümpelten im grünlich-trüben Wasser. Zwei bildeten eindeutig ein Pärchen, bei dem das eine mit offenem Maul auf dem anderen lag, die Augen geschlossen. Seine große weiße Zunge ragte heraus, was man als ein Zeichen von Ekstase deuten konnte. Das untere Krokodil versuchte ab und zu sich zu befreien. Es wedelte mit dem Schwanz, zuckte mit dem Körper, hatte aber damit keinen Erfolg. Das dritte Krokodil kreiste nervös um die beiden herum.
    »Hier haben wir also eine typische Krokodilfamilie«, begann ich Sebastian aufzuklären. »Wenn zwei Krokodile lange genug in demselben Wasser schwimmen, dann treffen sie irgendwann aufeinander, und schon wenig später legt Mama Krokodil ihre Eier ab. Aus diesen Eiern kommen dann neue

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