Ich mag dich immer noch, wie du bist - Liebe ist nicht die Antwort, sondern die Frage: Ich mag dich immer noch, wie du bist
eins ergibt sich aus dem anderen …«
Dann steht er auf und geht zahlen.
»Sag mir doch noch mal, wie du heißt«, meint er, als er wieder an den Tisch zurückkommt. »Ich kann mir einfach keine Namen merken.«
»Alice … Und du?«
Er lächelt und reicht mir seine Visitenkarte. »Giovanni.«
Draußen vor der Bar küsst er mich zum Abschied auf die Wangen, dann entfernt er sich auf dem Bürgersteig, an der Polizeiabsperrung vorbei.
27 Luca
»Eine Schwulenparty? Was soll das heißen, eine Schwulenparty?«
»He, du weißt doch, wo du hier bist? The Castro … Hast du noch nie den Namen dieses Viertels gehört? Der Kampf um gleiche Rechte für Schwule? Den Film Milk hast du doch wohl gesehen, oder?«
»Nein, warum?«
Dalila bricht in Lachen aus, und langsam fühle ich mich wie eine Maus in den verworrenen Gängen irgendeines perversen Videospiels. Wohin ich mich auch wende, welchen Weg ich auch wähle, irgendwann lande ich immer in einer Sackgasse oder in einem Raum mit einer Falle, der ich nicht entkommen kann.
Ich schaue mich um. Da sind zwei Jungs mit nacktem Oberkörper und einer Blumenkrone auf dem Kopf. Auf der anderen Seite schminken sich drei weitere vor dem Spiegel. Und dann sind da natürlich auch noch Dalila und die anderen Mädchen, die sich auf die Show vorbereiten.
»Und was macht ihr dann hier?«, frage ich sie.
»Na ja, die Party ist offen für alle, außerdem ist es ja keine Orgie!«
»Okay, aber ich werde auf keinen Fall tanzen!«, rufe ich an der Stelle aus, da mich eine plötzliche Sorge befallen hat. »Oh Gott, muss ich etwa tanzen?«
»Aber nein, der Chef wollte nur, dass sich alle Kellner gleich anziehen, damit die Optik stimmt. Heute Abend kommen Leute mit Kohle, und wenn der Boss was anfängt, dann gleich im großen Stil.«
Wenig später beginnt die Party, und es ist einerseits besser und andererseits schlimmer, als ich gedacht habe. Besser, weil ich eigentlich bloß mit Tabletts herummarschieren muss und die Gäste sich dann selbst bedienen. Schlimmer, weil mir gleich der Schädel platzt. Ich habe mich nicht eingeschrieben, und Alice hat eine halbnackte Frau bei mir in der Wohnung gesehen. Was wird sie jetzt tun? Was denkt sie? Ich habe ihr eine Mail geschrieben, aber ich habe sie nicht abgeschickt, weil sie mir ja doch nicht glauben würde. Außerdem bin ich nicht an der Uni eingeschrieben. Was zum Henker ist denn bloß mit mir los?
»Hey, darf man mal erfahren, was zum Henker mit dir los ist?«
Eine Stimme aus der Menge unterbricht meine Gedanken. Vor mir recken sich im blitzenden Schein der Stroboskoplampen Dutzende Arme nach oben. Ein weißhaariger Mann tanzt begeistert mit zwei molligen Frauen, und irgendwo weiter hinten küssen sich zwei Typen.
»Hey, ich rede mit dir!«
Ich drehe mich um. Es ist der Chef.
»Was zum Teufel ist mit dir los? Man hat mir erzählt, du träumst vor dich hin!«
»Nein, nein, entschuldige, heute ist einfach ein Scheißtag …«
»Ich bezahl dir hundert Dollar für diesen Abend, und da ist mir ganz egal, ob du einen Scheißtag hattest, ob dein Hund gestorben ist oder ob es bei dir zu Hause eine Überschwemmung gab …«
Nach diesen Worten schiebt er mir mit Daumen und Zeigefinger die Mundwinkel hoch und zwingt mich so zum Lächeln.
»Komm mit!«
Er geht schnell und entschieden auf die Küche zu, und diese Bewegung zeigt deutlicher als sein Vortrag, dass er keinen Widerspruch duldet. Mit einer Hand reißt er die Stahltür auf, die prompt gegen einen Kellner knallt, der ihn ohne mit der Wimper zu zucken vorbeilässt und danach mit seinem Tablett nach draußen geht. In der Küche sind alle damit beschäftigt, Kanapees, Törtchen und Minisandwiches vorzubereiten. Wir durchqueren die Küche und betreten einen kleinen Raum, der als Abstellkammer dient. Dort macht der Chef mit einem Arm einen Tisch frei und zieht ein weißes Kügelchen aus der Tasche, das in ein Stück Klarsichtfolie eingewickelt ist. Er packt es aus und zerhackt es auf dem Tisch. Es folgt die gleiche Szene, die ich vor ein paar Tagen in der Küche beobachtet habe.
»Was hast du für ein Problem?«, fragt er mich dann, aber jetzt klingt er ruhiger, beinahe verständnisvoll.
»Ich habe jede Menge Probleme.«
»Gut, ich hör dir zu, du hast fünf Minuten.«
Ich verstehe nicht, was dieses ganze Theater soll. Ich weiß nicht, warum er mich hierhergebracht hat und warum er »meine Probleme« erfahren will. Aber ich fürchte, mir bleibt kaum etwas anderes
Weitere Kostenlose Bücher