Ich mag dich immer noch, wie du bist - Liebe ist nicht die Antwort, sondern die Frage: Ich mag dich immer noch, wie du bist
auch gerade so richtig in die Scheiße geritten!«, ruft Martina impulsiv, aber dann beherrscht sie sich. »Entschuldige …«
»Ach was, du hast ja recht. Es fällt eben schwer, sich die Zukunft vorzustellen, wenn die Gegenwart gerade den Bach runtergeht.«
»Was redest du da für Zeug, Luca? Fang du nicht auch noch mit diesem Quatsch an. Ich hab heute Abend keine Lust, mich runterziehen zu lassen.«
»Und worauf hast du Lust?«
Martina sieht mich nachdenklich an.
»Komm, lass uns die Sauna ausprobieren«, ruft sie ganz begeistert über ihre Idee.
Doch in dem Moment klingelt mein Handy. Ich kann zwar nicht erkennen, wer anruft, gehe aber trotzdem dran.
»Hallo«, sage ich, während Martina aufsteht und ins Bad geht, wo die Sauna ist.
»Luca, mein Schatz, hallo, hier ist deine Mutter, wie geht es dir? Störe ich?«
»Nein, nein, hallo, Mama. Aber es ist schon spät, hier ist es zwei Uhr nachts.«
»Oh Gott, ich habe mich schon wieder mit der Zeit verrechnet! Habe ich dich geweckt?«
»Nein, ich bin noch wach. Martina ist hier und wir bringen uns ein wenig auf den neuesten Stand.«
»Auf dem würde ich auch gern sein. Hast du es noch geschafft, an der Uni deine Unterlagen vorzulegen? Und was macht die Verletzung an der Schulter? Hast du wenigstens einen Vorleger ins Bad gelegt? Sonst fällst du wieder hin und schlägst dir noch den Schädel ein.«
»Vielen Dank, Mama.«
»Komm, bleib einmal ernst. Also?«
Ich erzähle ihr ein bisschen was über die Wunde, wie das mit der Uni schiefgelaufen ist und über meine »Nachbarin«, die im gleichen Lokal arbeitet wie ich. Als wir uns endlich verabschieden, scheint sie beruhigt zu sein. Wenn ich schon mir selbst nichts vormachen kann, scheint mir das wenigstens bei meinen Verwandten zu gelingen.
Aus Martinas Schlafzimmer war die ganze Zeit nichts zu hören. Ich stehe vom Sofa auf, gehe zur Tür und klopfe. »Martina, bist du da drin? Kann ich reinkommen?«
Keine Antwort.
Ich öffne die Tür einen Spalt und stecke den Kopf hinein.
Martina ist nicht im Raum, aber die Tür zum Bad steht offen. Plötzlich quillt dort eine Dampfwolke heraus und gleich darauf erscheint Martina, die sich ein weißes Handtuch über dem Busen zusammengeknotet hat.
»Los, komm, das ist super!«
Kurz danach sitzen wir im Halbdunkel der Sauna. Ein kleines orangefarbenes Lämpchen verbreitet ein schwaches Licht. Das Thermometer zeigt sechzig Grad an. Martina sitzt neben mir, hat die Beine an die Brust gezogen und stützt sich mit den Ellenbogen auf die Knie.
Plötzlich singt sie leise etwas vor sich hin.
»Was ist das, dein Song?«, frage ich sie.
»Genau.«
»Wirklich? Sing mir was daraus vor.«
»Nein, hier drinnen bekomme ich nicht genug Luft.«
»Dann will ich wenigstens den Text hören.«
Martina lächelt und verbirgt den Kopf in den Armen. Dann hebt sie ihn wieder und sieht mich an.
»Das geht nicht«, sagt sie kurz.
»Warum nicht?«
»Weil er zu viele Geheimnisse enthält«, antwortet sie leise und sieht mir dabei unverwandt in die Augen.
»Was für Geheimnisse?«
»Dinge, die man nicht aussprechen kann.«
»Na, ich hab dir doch auch ganz viele Geheimnisse erzählt. Außerdem werden bald alle deinen Song kennen.«
»Ja, du hast recht«, erwidert sie mit einem rätselhaften Ausdruck in den Augen und seufzt dazu tief. Automatisch atme ich auch tief ein und spüre, wie die heiße Luft durch meine Nase in meine Lungen dringt.
»Hast du jemals an den Sommer zurückgedacht, in dem wir uns kennengelernt haben?«, fährt sie fort.
»Äh, ja, klar, manchmal schon.«
»Ich denke oft daran«, sagt sie, dann schweigt sie wieder.
Ich betrachte ihr Profil im orangen Schimmer. Ihre roten verschwitzten Wangen. Die Haare, die an ihrer Stirn kleben.
Sie ist wunderschön, denke ich und dann habe ich deswegen ein verflucht schlechtes Gewissen. Sie ist meinetwegen hergekommen, um über Alice zu reden, um zu versuchen, die Situation zu klären, und ich habe nichts Besseres zu tun, als mir irgendwelche Dinge mit ihr vorzustellen …
Martina schüttelt plötzlich den Kopf und lacht. Und einen Augenblick lang fürchte ich, dass sie meine Gedanken gelesen hat.
»Was ist los, Marti?«, frage ich sie ein wenig erstaunt über dieses hysterische Lachen.
»Nichts, gar nichts, ich spinne bloß«, antwortet sie, dann steht sie auf und zieht sich das Handtuch über dem Busen fester zu. »Gehen wir lieber raus, das ist besser.«
»Und der Songtext?«, frage ich, aber sie hat die Sauna
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