Ich mag dich immer noch, wie du bist - Liebe ist nicht die Antwort, sondern die Frage: Ich mag dich immer noch, wie du bist
einer Art Autobahn nimmt der Bus die Ausfahrt und taucht in die Stadt ein.
San Francisco zieht draußen vor dem Fenster vorbei, aber ich kann es nicht genießen wie unter anderen Umständen. Im Moment sehe ich nur Häuser, Obdachlose, Autos und Straßenbahnen. Nicht mehr und nicht weniger.
Ich steige an einer breiten vierspurigen Straße aus, an der es lauter hohe Häuser und Designershops gibt.
Von dort nehme ich einen anderen Bus, und mit Hilfe des Fahrers schaffe ich es sogar, an der richtigen Haltestelle auszusteigen. Dann muss ich noch zehn Minuten eine steile Straße aufwärtslaufen, bis ich vor Lucas Haus stehe.
Es ist ein bescheidenes dreistöckiges Wohnhaus, das zugegebenermaßen überhaupt nicht meinen ursprünglichen Vorstellungen entspricht. Also denen von dem Loft mit den roten freiliegenden Ziegelsteinmauern und der Fensterfront mit Panoramablick.
Am Klingelbrett stehen natürlich keine Namen. Daher bleibt mir nichts anderes übrig, als zu warten, dass jemand zur Haustür hineingeht oder herauskommt. Ersteres ist nach gut zehn Minuten der Fall. Drei Mädchen, die ziemlich fertig aussehen, kommen an mir vorbei. Sie sind ungefähr in meinem Alter und tragen alle drei auffällige bunte Strumpfhosen und zerrissene T-Shirts. Ich tue so, als wäre ich gerade gekommen und folge ihnen ins Haus. Dann krame ich in meiner Handtasche, als würde ich etwas suchen, und lasse sie vorbei. Sie beachten meine Vorstellung gar nicht und gehen die Treppen hoch.
Das Haus hat nur drei Stockwerke und pro Etage ein oder zwei Türen. Und ich erinnere mich, dass es weder das Erdgeschoss noch der erste Stock sein kann, weil Luca mir den Blick aus dem Fenster gezeigt hat.
Deshalb gehe ich sofort hoch in den zweiten Stock und versuche mein Glück dort.
Wenige Sekunden später öffnet mir eines der mitgenommen wirkenden Mädchen von vorhin.
»Was willst du?«, fragt sie mich.
»Entschuldige, hier bin ich wohl falsch. Ich suche …«
»Suchst du Dalila?«, fragt sie mich, warum, weiß ich nicht.
Ich zögere etwas, ehe ich antworte, und versuche, mir einen sinnvollen Satz auszudenken.
»Bist du eine Freundin von Dalila?«, fragt sie weiter. Dalila, das ist doch der Name dieses Mädchens. Das darf doch wohl nicht wahr sein. Ich komme hierher, um Luca zu sehen, und treffe prompt die Freundinnen von der Schlampe, mit der er schläft.
»Ja«, antworte ich selbstsicher, obwohl ich fürchte, dass meine Stimme dabei zittrig klingt. »Ist sie da?«
»Nein, ich hab keine Ahnung, wo sie ist, das wollte ich dich gerade fragen. Bist du mit ihr verabredet?«
»Nein, eigentlich nicht … Das sollte … eine Art Überraschung sein.«
Wir bleiben in der Tür stehen und sehen einander an. Beziehungsweise ich bleibe wie angewurzelt stehen, weil ich keine Ahnung habe, was ich jetzt machen soll.
Tausend Gedanken schießen mir durch den Kopf, und einen Moment lang fürchte ich, dass er platzt. Luca lässt sich nicht blicken, Dalilas Freundinnen wissen auch nicht, wo sie steckt. Angesichts dieser Tatsachen muss ich mich geschlagen geben.
»Hey, alles in Ordnung mit dir?«, fragt mich das Mädchen.
»Ja, ja, ich bin okay.«
Kurz darauf bin ich wieder unterwegs. Ich weiß nicht, was ich tun soll, ich weiß gar nichts mehr. Ich laufe auf gut Glück und ohne festes Ziel eine Straße entlang, schaue mich um, und dieses Mal sehe ich die Häuser und Menschen aus der Nähe. Hier wimmelt es von jungen Alternativen, streckenweise kommt man sich vor wie in einem Jugendtreff oder mitten in einer Demo. Erst betteln mich zwei Jungs an, dann fragt mich ein alter Mann nach einer Zigarette. Ich nehme allmählich eine angespannte Atmosphäre wahr und beschleunige daher meinen Schritt. So langsam wird es dunkel, und dichter Nebel hat sich über die Stadt gelegt wie ein graues Laken.
Ich muss zurück ins Stadtzentrum, sage ich mir. Mir dort ein Hotel suchen. Und so meine ganzen mageren Verdienste aus dem Restaurant verpulvern.
Plötzlich komme ich mir vor wie die letzte Idiotin, dass ich all mein Geld, alles, was ich mühsam im Restaurant verdient habe, ausgegeben habe, um herzukommen und die Situation mit meinem Freund zu »klären«, der sich dann nicht einmal blicken lässt.
Heiße Tränen rinnen mir die Wangen hinab, aber ich versuche, wenigstens nicht die Fassung zu verlieren, dem jetzt nicht nachzugeben, nicht hier. Ich schließe die Augen und denke über die Ereignisse der letzten Wochen nach, an das ständige Hin und Her, all die Worte, die
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