Ich mag dich wie du bist
hierher gerannt, weil ich auf keinen Fall nach meinen Eltern ankommen wollte. Denn ich habe mehr denn je die Absicht, Frieden zu schließen.
»Hallo«, sage ich fröhlich.
»Ich gehe zu meinen Freunden«, erklärt Federico sofort. Ich schätze mal, er hat gleich begriffen, was ich vorhabe, und will sich deshalb so schnell wie möglich verdrücken. Auch gut, es ist bestimmt besser, wenn ich mit ihnen allein bin.
»Hallo, Alice«, sagt meine Mutter, sie nennt meinen Namen in voller Länge und gibt mir damit zu verstehen, dass zwischen uns noch dicke Luft herrscht.
Dann taucht auch mein Vater auf, den Sonnenschirm unter den Arm geklemmt.
»Ach?«, sagt er und wirkt fast überrascht, mich zu sehen.
»Hallo, Pa, wie war’s am Meer?«
Er starrt mich an.
»Sehr schön«, antwortet meine Mutter, »nur ein paar Wellen.«
Okay, anscheinend sind meine Eltern noch nicht zu einem Waffenstillstand bereit. Aber ich habe nicht vor, aufzugeben, selbst wenn ich dabei zu unlauteren Mitteln greifen muss.
»Ich habe mich ans Lernen gemacht«, lüge ich frech. »Ich habe mir ein Wiederholungsprogramm für die einzelnen Fächer aufgestellt und mit Italienisch begonnen.«
Mein Vater lehnt den Sonnenschirm an den Wohnwagen und setzt sich. Einen Augenblick lang hatte ich schon befürchtet, er würde auf dem Absatz kehrtmachen und verschwinden.
»Hier auf dem Campingplatz kann man gut lernen, es ist kühl und kein Mensch da. Es ist sehr ruhig.«
Ich glaube nicht, dass ich das noch sehr viel länger durchhalten kann. Es ist doch ganz offensichtlich, dass meine Worte ein Friedensangebot sind. Ich flehe sie an, sich wieder mit mir zu vertragen, auch wenn ich ihnen dabei eine Lüge auftische, schließlich ist es »für einen guten Zweck«.
»Aber morgen will ich ans Meer, ich komme mit euch.«
Ein Knoten schnürt mir plötzlich den Hals zu und ich fürchte, dass mir von einem Moment zum anderen das Wasser in die Augen schießen könnte. Aber diesmal will ich nicht nachgeben. Ich will nicht.
»Na gut, ich spring mal schnell zum Computer rüber, um meine Mails zu checken. Ich komme am Laden vorbei, wenn wir etwas brauchen, kann ich es mitbringen.«
»Nein, danke, wir haben vorhin eingekauft«, sagt meine Mutter. »Da war ein netter kleiner Obst- und Gemüsemarkt.«
Mein Vater nickt dazu und holt schwarz glänzende Auberginen aus einer Plastiktüte, als wollte er sie zum Beweis vorzeigen.
Das genügt mir, ich bin wirklich froh. Mit dieser überflüssigen Information (der Markt) hat meine Mutter mir zu verstehen gegeben, dass sie wieder bereit ist, mit mir zu reden. Und als mein Vater mir die Auberginen gezeigt hat, hat er damit seine Bereitschaft ausgedrückt, an einem Waffenstillstand mitzuarbeiten.
Ich kann mir keine weiteren Streitigkeiten oder Chaos erlauben. Ich möchte nämlich wieder ins Chiringuito, ich möchte Daniele und Martina wiedersehen. Ich möchte an einen Strand, wo das Durchschnittsalter nicht bei acht Jahren liegt. Ich möchte zu Mittag einen Salat mit Avocado und Walnüssen. Und damit das alles möglich ist, muss ich vorher die Sache mit meinen Eltern geregelt kriegen. Bin ich deshalb eine Opportunistin? Vielleicht, aber wenigstens haben wir Frieden geschlossen, und wenn mein Egoismus zu einem entspannten Familienklima beiträgt, dann wüsste ich wirklich nicht, was schlecht daran sein soll.
Im Freizeitraum gehe ich sofort auf den Messenger und kontrolliere meine Mails.
Chiara hat mir geschrieben und fragt, wie es mit dem Rastatypen läuft.
Ich mache mich sofort daran, in einer langen Mail die Ereignisse zusammenzufassen und erzähle ihr alles von Martina und Daniele, also dem Rastatypen, und von meinem Tag am Strand des Chiringuito. Klatsch und Tratsch aus erster Hand. Fakten, Fakten, Fakten. Chiara ist verrückt nach so was. Während ich schreibe, erscheint auf dem Bildschirm die Meldung: »Luca ist jetzt online.« Ich schreibe weiter. Wenn er mit mir reden will, wird er sich melden, denn er sieht ja, dass ich online bin.
Ich beende meine Mail an Chiara und klicke auf »Senden«.
Luca meldet sich nicht.
Als ich die Seite schließe, erscheint ein orangefarbenes Popup mit grüner Schrift: »Mega-Tanzwettbewerb Baia Azzurra, nicht verpassen!«
Fünfundzwanzig
»Ali, warum starrst du mich so an?«, fragt Fede und nimmt einen Kopfhörerstöpsel aus dem Ohr.
Okay, jetzt ist alles aus. Ich bin schon genauso wie meine Mutter. Nur Mütter starren ihre Kinder ohne offensichtliche Gründe an.
Ich habe ihn
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