Ich mag dich wie du bist
genau begriffen habe, was da zwischen ihm und Martina läuft, aber ich will auch nicht unfreundlich wirken. Irgendetwas muss ich jetzt sagen.
»Ja, stimmt schon, er ist ziemlich nett, aber ist er nicht vergeben?«
Mary nimmt meine Frage begeistert auf und beschreibt mir Danieles Liebesleben bis ins letzte Detail. Er war sehr lange mit einem Mädchen zusammen, aber im letzten Sommer haben sie sich getrennt. Das hat ihn ziemlich fertiggemacht, und seitdem hatte er keine ernst zu nehmende Beziehung mehr.
»Das ist der ideale Zeitpunkt, er ist frei und möchte Spaß haben«, erklärt sie und setzt als gegeben voraus, dass ich ebenfalls »frei bin und Spaß haben will«.
Unsere Unterhaltung hat eine seltsame Richtung genommen. Jetzt wirkt es so, als wollte ich Informationen sammeln, ehe ich mich an Daniele ranmache.
»Jetzt musst du mir aber alles über dich erzählen!«, ruft sie aus und klopft sich vor Ungeduld auf die Schenkel.
In diesem Moment kommt zum Glück Daniele zurück, mit Dr. Marley auf der Schulter.
»Kommt ihr mit schwimmen?«
»Klar!«, zwitschert Mary.
»Ich geh nur mit an den Strand«, sage ich.
»Warum? Willst du nicht schwimmen?«, fragt Mary.
»Ich hab keinen Bikini dabei, weil ich eigentlich gar nicht vorhatte, hierherzukommen, deshalb …« Ich beende den Satz nicht, als wäre der Rest so offensichtlich, dass ihn sich jeder selbst zusammenreimen kann und ich ihn nicht aussprechen muss. Keiner der beiden hat etwas einzuwenden.
Während wir zu der Stelle laufen, die Daniele als »unseren üblichen Platz« bezeichnet, blättert Mary in den Zeitschriften, die sie mitgenommen hat. Sie muss unbedingt ihr Horoskop lesen, sagt sie, weil sie das immer tut. Diesmal lacht Daniele in sich hinein und wirft mir amüsiert einen verschwörerischen Blick zu. Ich werde immer neugieriger, wie ein Rasta, der ein Frettchen hat, mit einem Klatschzeitungen lesenden Szenegirl aus Apulien befreundet sein kann.
Neunundzwanzig
Mary breitet ihr Badetuch auf dem Felsen aus und legt sich zum Sonnen hin. Sie war höchstens eine halbe Minute im Wasser, Schwimmen interessiert sie nicht, sie will nur braun werden. Daniele bleibt lange im Wasser, er prustet und spritzt herum wie ein kleiner Junge. Er taucht unter, kommt wieder hoch, dann hält er sich mit äußerster Konzentration an den Felsen fest, wirft sich wieder ins Wasser und bringt einige Trophäen mit: Steine, Muscheln, eine Handvoll Sand, der »dort unten viel heller ist«, und irgendwann sogar eine tote Krabbe. Das erinnert mich an die Möwe, die ich vor ein paar Tagen gesehen habe, und für einen Augenblick habe ich ihren von der Strömung hin und her geworfenen Körper vor Augen. Ich versuche, dieses Bild aus meinen Gedanken zu vertreiben, und schüttele dabei unbewusst den Kopf, aber dadurch errege ich Marys Aufmerksamkeit.
»Was ist los?«, fragt sie und setzt sich auf.
»Ach nichts, ich habe nur … an etwas gedacht.«
Meine Gedanken scheinen sie nicht sehr zu interessieren. Sie wühlt in ihrer Handtasche und holt ein Fläschchen mit Öl heraus. Sie rollt sich den Bikinislip so weit herunter, dass wirklich nur das Allernötigste bedeckt bleibt, und ölt sich wieder ein.
»Sobald Daniele zurück ist, lese ich euch die Horoskope vor.«
»Okay.«
»Also, du und Martina, ihr seid Freundinnen?«
»Ja«, erwidere ich spontan. »Na ja, also nicht wirklich, wir kennen uns aus der Schule, hier habe ich sie nur zufällig getroffen.«
»Und in Mailand geht ihr nicht zusammen weg?«
»Wir haben nicht die gleichen Freunde.«
»Und wie ist sie so in Mailand?«
»Keine Ahnung … ganz normal?«
»Hat sie einen Freund?«, fragt Mary, aber sie verbessert sich sofort: »Na, eine wie Martina, die wird tausend Jungs haben. Aber du weißt bestimmt ein bisschen Klatsch über sie, also raus damit! Uns erzählt sie nie was!«
»Ich weiß, dass sie einen Freund hatte, aber was jetzt ist, keine Ahnung.«
Mehr weiß ich wirklich nicht.
Mary nickt und presst die Lippen zusammen. Es ist ganz klar, dass ich für sie nicht gerade eine Offenbarung bin: Ich will nichts mit Daniele anfangen, ich weiß nichts Neues über Martina und ich erzähle ihr nichts über Mailand, wo das doch für sie Die-schönste-Stadt-der-Welt ist. Wenn sie jetzt noch herausfinden würde, dass ich in meiner Tasche ein Buch und keine Zeitschrift habe, wäre das wohl das Ende unserer kurzen Freundschaft.
Auch diesmal setzt Daniele dem Verhör ein Ende. Er taucht mit triefenden Dreadlocks aus
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