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Ich mag dich wie du bist

Ich mag dich wie du bist

Titel: Ich mag dich wie du bist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Gungui
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dermaßen wütend, so wütend, dass ich es kaum erwarten kann, mit meiner Familie zu diesem Mega-Tanzwettbewerb zu gehen. Ganz im Ernst. So etwas lässt sich schwer erklären, das hängt mit Gruppendynamik und Konstellationen zusammen. Lucas Worte gehen mir nicht aus dem Kopf: Versuch auch mal ab und zu, anderen zuzuhören. Denn ich bin plötzlich zu jemandem geworden, »der nie zuhört«. Dabei rede ich ständig mit ihm und ich frage ihn jedes Mal, wie es ihm geht und was er gerade macht, aber ihm reicht das natürlich nicht. Man muss ihm die Worte einzeln aus dem Mund ziehen, und er kann einem immer noch nicht sagen, dass er traurig ist, weil er in Mailand festsitzt und seine Mutter den ganzen Sommer über arbeiten muss. Außerdem ist er doch derjenige, der immer lustig ist und alles ins Lächerliche zieht. Verdammt, er hat ein Problem und nicht ich! Und dann hält er mir noch diese Predigt über die »wahren Probleme« – »Leute, die sterben«. Das nehme ich ihm nicht ab, darüber haben wir schon mal geredet und gemeinsam festgestellt, dass solche Sprüche idiotisch sind, eine oberflächliche Argumentation, um sich nicht mit dem wirklichen Problem auseinandersetzen zu müssen, und das waren mehr seine Worte als meine. Deshalb ist sein Wutausbruch für mich völlig inakzeptabel. Das ist nicht ehrlich.
    Am Strand ist ein Holzpodest aufgebaut, mit einigen Bankreihen rundherum. Ein Dutzend Meter weiter hinten ist die Bar, und ihr scheint momentan das Hauptinteresse zu gelten. Die Musik kommt nämlich aus den Lautsprechern der Bar und deshalb sind alle dort, spielen Tischfußball, trinken etwas oder essen Eis.
    Plötzlich leuchtet genau über dem Podest ein heller Lichtschein auf. Er kommt von einer Art Leuchtturmscheinwerfer und es wirkt ein bisschen so, als wollten Außerirdische jemanden entführen. Ich frage mich, was wohl passieren würde, wenn ein außerirdisches Raumschiff mich als Studienobjekt auswählen würde. Oder Fede oder den Animateur. Oder vielleicht … Während ich noch über eventuelle statistische Irrtümer in einer Untersuchung der Aliens sinniere, bemerke ich plötzlich, dass mein Vater und meine Mutter gerade gemeinsam mit einem anderen Paar die Mitte des Podests erreicht haben. Doch was mich am meisten daran verblüfft, ist, dass mein Vater sich nicht nur völlig ungezwungen zu einer Art Remix von Gesellschaftstänzen bewegt, sondern das Ganze auch noch gleichzeitig mit der Videokamera aufnimmt.
    Hier.
    Direkt neben mir.
    Plötzlich wird die Musik lauter und das Licht des Scheinwerfers fällt auf das Gesicht meiner Mutter und das Gesicht des Mannes, der, wie ich jetzt entdecke, keineswegs ihr Gatte ist, sondern jemand anderer, genauer gesagt unser Wohnwagennachbar. Sollten die Aliens genau in diesem Moment beschließen, ein Menschenpaar mitzunehmen und sollte die Wahl auf meine Mutter und diesen Typen fallen, würde die Menschheit wirklich ein jämmerliches Bild abgeben.
    Mein Vater filmt.
    Fassungslos beobachte ich das Ganze, als hätte man mich gerade mit einer Dosis Betäubungsmittel für Pferde ruhiggestellt. Als das dauergrinsende Gesicht des Animateurs in der Mitte des Podests mit einem Mikrofon vor dem Mund auftaucht, verflüchtigt sich die Wirkung des Betäubungsmittels und ich gehe blitzartig hinter meinem Vater in Deckung. Ich beobachte auf dem kleinen Monitor der Kamera, wie die Startnummern verteilt werden. Dann wird die Musik plötzlich wieder lauter und der Animateur verkündet feierlich: »Der Wettkampf hat begonnen!«
    »Papa«, flüstere ich leise hinter seinem Rücken.
    »Hä? Wer ist da?«
    »Deine Tochter.«
    »Lauter, ich kann dich nicht verstehen!«
    »Warum tanzt du nicht?«
    »Du weißt doch, ich mach mir nichts daraus und außerdem mit dem verstauchten Knöchel …«
    »Warum tanzt Mama mit dem da?«
    »Das ist unser Wohnwagennachbar.«
    »Das weiß ich selber, aber warum tanzt sie mit ihm?«
    Er ist so vertieft in seine Aufnahme, dass er gar nicht dazu kommt, sich gegen mein Verhör zu wehren. Plötzlich erscheint auf dem Monitor der Videokamera eine kurvenreiche, aber ein wenig klein geratene rothaarige Dame, ihr Gesicht glänzt von der Sonne. Sie kommt näher und spricht direkt in die Kamera.
    »Guten Aaaabend«, sagt der Rotschopf und zieht das a in die Länge, um sympathisch zu wirken.
    Ich beobachte das Ganze in der Videokamera. Auf einmal bin ich nicht mehr die Hauptfigur in meinem Leben, sondern eine Fernsehzuschauerin der Öffentlich-Rechtlichen mit einem

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