Ich mag dich wie du bist
Luca weiß immer, was mir durch den Kopf geht, er weiß, wie ich mich fühle, er weiß, was ich mag. Ich weiß, das klingt jetzt irgendwie banal, aber … aber vielleicht hat die Leidenschaft gefehlt.«
»Das ist nicht banal.«
»Luca war der Richtige. Aber zum falschen Zeitpunkt.«
»Aber jetzt seid ihr Freunde.«
»So was in der Art.«
»Na ja, ich glaube, dass du ihm wichtig bist.«
»Ja, das mit Sicherheit.«
»Er scheint ein ganz besonderer Mensch zu sein.«
Dazu sage ich nichts, nicke nur schweigend.
»Mein erstes Mal hatte ich mit einem obercoolen Typen. Er war zwei Jahre älter als ich. Danach habe ich ihn nicht mehr gesehen, also, er hat sich nicht mehr gemeldet.«
»So ein Arsch«, sage ich, aber ich bereue es sofort, aus Angst, dass ich mich zu weit vorgewagt habe. »Na ja, ich weiß nicht …«
»Nein, nein, du hast recht, er war wirklich ein Arschloch, und er war nicht der Einzige. Es gibt einen Haufen Typen, die mit mir ins Bett wollen, und ich falle immer darauf rein, weil ich denke, diesmal ist es der Richtige und ich habe jemanden gefunden, für den ich wirklich etwas Besonderes bin und dann … Du hast Glück, das meine ich ernst.«
»Na, dafür war ich seit über einem Jahr mit niemandem mehr zusammen, da lief gar nichts, nicht mal ein Kuss aus Versehen.«
»Das ist nicht wichtig. Du kannst mit hundert Jungs in die Kiste steigen und letzten Endes bist du immer wieder ganz am Anfang.«
»Hmm, aber du hast doch jetzt einen Freund, oder?«
»Ja und nein, er bedeutet mir nicht viel. Diesmal habe ich den Typ ›Fußmatte‹ erwischt, einen, der mir tausend SMS schickt und mich jeden Abend anruft. Das hält, solange es hält, aber es ist mir nicht sehr wichtig … Ich bräuchte auch so einen Luca.«
»Meiner ist frei, wenn du willst, dann leih ich ihn dir.«
Sie bricht in Lachen aus, aber es klingt etwas skeptisch.
»Halte die echten Menschen fest, sie sind selten. Die anderen wollen alle was von dir, sie sind deine Freunde, solange es ihnen nützt, solange du etwas Farbe in ihre Clique bringst.«
»Aber du hast doch einen Haufen …«, ich führe den Satz nicht zu Ende.
»Nein, ich habe keinen Haufen Freunde, ich habe einen Haufen Leute um mich herum, aber das ist nicht das Gleiche.«
Eine größere Rakete erhellt kurz die Nacht und Martinas Gesicht wirkt plötzlich gespenstisch. Ihre Wangen wirken leicht eingefallen und die Augen sind glänzend und geschwollen.
»Na, guck dir die an.« Sie zeigt auf die Jugendlichen, die um das Feuer sitzen. »Siehst du, da liegen sich zwei in den Armen, zwei küssen sich, die anderen singen, und wenn du dich ein wenig umsiehst, wirst du auch zwei finden, die sich irgendwohin in die Büsche geschlagen haben. Von außen gesehen wirkt alles schön, aber das ist nicht die Wirklichkeit, das ist nur Fassade.«
Ich kann ihrer Argumentation nicht mehr folgen, aber ich bin sicher, dass es sich um einen von diesen Gedankengängen handelt, die aus tiefer Enttäuschung entstehen. Deshalb lasse ich sie reden. Inzwischen ist ein Pärchen aufgetaucht. Hinter einem umgedrehten Boot versteckt liegen die beiden aufeinander.
Sechsunddreißig
Es ist schon nach Mitternacht, als ich den Campingplatz erreiche. Auf dem Tisch vor dem Wohnwagen liegt eine Plastiktüte mit der Videokamera. Von meinen Eltern ist nichts zu sehen, deshalb schicke ich meiner Mutter eine SMS, dass ich mich nicht wohlgefühlt habe.
Im Zelt finde ich einen zusammengerollten Zettel, den eine rote Schleife zusammenhält und obwohl ich versucht bin, ihn gleich ungeöffnet wegzuwerfen (ich weiß nämlich genau, von wem er ist), entschließe ich mich doch, ihn zu lesen.
»Verzeih mir, ich habe mich schrecklich benommen, Alice. Du hast die Videokamera auf dem Tisch gefunden? Ich habe den Teil, wo ich zu hören war, gelöscht. Schade, dass man im Leben nicht das Gleiche tun kann: aufwachen, sich den vergangenen Tag noch einmal ansehen und all die zu viel gesagten Worte, alles, was man eigentlich nicht tun wollte, sämtliche Fehler eben einfach rauslöschen. Und nur die Träume, die Gefühle drinlassen. Dann wäre alles viel schöner. Entschuldige, Alice, du weißt doch, dass du für mich etwas ganz Besonderes bist. Ich hab dich lieb.«
Offensichtlich ist dies der Abend der Enthüllungen. Ich bin immer noch dabei, alles in Frage zu stellen, was ich bislang über Martina gedacht habe, und da entdecke ich, dass der Animateur sich in gewisser Weise bewusst ist, dass er sich die meiste Zeit wie
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