Ich mag dich wie du bist
also müsste er auch etwas gegen Ängste haben.«
Ich lächle, weil mir plötzlich Lucas Theorie-zur-Angstbekämpfung in den Sinn kommt.
»Also hat er eine?«
»Ja, ja, natürlich.«
»Und wie lautet die?«
»Luca sagt, die einzig wirksame Methode, um die eigenen Ängste zu besiegen, ist ein Zauberspruch von Harry Potter.«
Martinas Mundwinkel zucken leicht amüsiert.
»Ich hätte ja wissen müssen, dass jetzt so was kommt …«
»Es gibt da eine Szene, in der ein Lehrer für irgendeine Art von Magie seinen Schülern erklärt, wie man diese Ungeheuer oder was auch immer sie sind, besiegt, die die Gestalt von deinen schlimmsten Ängsten annehmen. Das heißt, wenn du Angst vor Drachen hast, erscheinen dir Drachen, wenn du Angst vor Haien hast, wirst du von Haien umgeben sein.«
»Und wie lautet dieser Zauberspruch?«
»Harry Potter nennt ihn Ridiculus , du musst dir dann vorstellen, na ja, dass der Drache im Minirock Lambada tanzt oder die Haie ein künstliches Gebiss haben, und während du dir das vorstellst, rufst du: ›Ridiculus!‹«
»Und schwingst dazu den Zauberstab.«
»Na klar.«
Wir bleiben schweigend im Schatten des Baumes sitzen, ein paar Meter vom Strand entfernt. Martinas Blick verliert sich am Horizont, meiner in mir selbst, wo ich nach einer Lösung suche.
»Du schläfst heute Nacht bei mir.«
Einundvierzig
Inzwischen ist wieder Leben ins Chiringuito gekommen. Ein paar Leute essen dort und es läuft Musik. Reggae natürlich. Wir gehen erst einmal schwimmen und ich genieße das kühle salzige Wasser. Der Geruch nach Meer füllt meine Nasenflügel, und das ungute Gefühl, das ich in Martinas Haus gespürt habe, verschwindet.
Wir schwimmen hinaus. Martina schwimmt, als würde sie mit dem Meer kämpfen. Man sieht ihren Bewegungen an, dass sie jahrelang zum Schwimmunterricht gegangen sein muss, doch die Gewalt, die sie in ihre Arme legt, wirkt mehr wie das Ergebnis eines Selbstverteidigungskurses. Ich bewege mich träge mit Brustschwimmen vorwärts und tauche ab und zu mit dem Kopf unter Wasser, um mich abzukühlen.
»Danke«, sagt sie, als wir aus dem Wasser gestiegen sind.
»Du bedankst dich zu oft, ich fange an, mir wichtig vorzukommen. Drei Danke von Martina an einem Tag. Wenn ich das in der Schule erzählen würde, würde mir kein Schwein glauben.«
»Und warum?«
»Das weißt du ganz genau.«
»Nein, was soll ich wissen?«
»Du weiß doch, dass alle dich bewundern und dich anhimmeln. Und dass ich … also, ich will ja kein Drama daraus machen, aber ich bin eben nicht du.«
»Tja, im Moment weiß ich nicht, ob es so toll für dich wäre, ich zu sein.«
Ups.
»Damit habe ich nicht gemeint, dass ich du sein will, aber du weißt schon. Die Jungs laufen dir in Scharen hinterher, die Mädchen bewundern dich.«
»Und alle halten mich für eine Zicke.«
»Na ja, einige sagen das, aber das ist einfach nur der pure Neid, die meisten Leute finden dich gut.«
»Und du, wie findest du mich?«
»Ich gehöre zu denen, die dich gut finden.« (»Obwohl sie finden, dass du ganz schön eingebildet bist«, müsste ich eigentlich hinzufügen, aber das ist nicht der passende Zeitpunkt.)
»Ach ja? Und was habe ich getan, dass du so über mich denkst?«
»Aber dafür musst du doch nichts Besonderes tun … Also, du bist jedenfalls beliebt.«
»Ja …«, meint sie und grinst skeptisch. »Alle lieben etwas, was es gar nicht gibt, na gut, bitte versteh mich nicht falsch, ich meine nicht, dass ich ein Star bin oder so was, aber es funktioniert genauso: Es ist schön, wenn man bestimmte Leute auf ein Podest stellen und sie als Vorbild ansehen kann. So drängt man sie in eine Rolle, denn je öfter die Leute auf bestimmte Weise mit dir umgehen, desto mehr gewöhnst du dich daran, dass du bist, wie sie denken. Das ist eine Maske.«
Ihre Worte lassen in meinem Kopf ein Glöckchen klingeln.
»Was hast du gerade gesagt?«
»Wie ich in der Schule bin, das ist eine Maske. Eben das Mädchen, das dazugehört, das immer lächelt, das tausend Freunde hat.«
»Aber das stimmt doch auch ein wenig, also das bist du doch, so wie ich die bin, die … einmal hat man mich so beschrieben: ›Schön gerade nicht, aber auch nicht potthässlich‹, eine, die für sich bleibt, die man kaum sieht, und diese Beschreibung ist zwar ein bisschen grausam, aber auch zutreffend.«
»Und das reicht dir? Es ist für dich in Ordnung, die zu sein, für die die anderen dich halten?«
Ich brauche ein paar Sekunden, um auf
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