Ich mag dich wie du bist
Als sie nach wenigen Sekunden wieder auftaucht, stehe ich immer noch wie angewurzelt am Rand des Pools.
»Sag mir jetzt nicht, du hast auch diesmal keinen Bikini dabei!«
»Nein, diesmal bin ich vorbereitet«, sage ich lächelnd. »Ich versuche, mich nur dann in peinliche Situationen zu bringen, wenn Leute dabei sind, sonst macht es keinen Spaß.«
»Na, bei Daniele und Mary kannst du ganz beruhigt sein. Sie ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt und bei ihm dreht sich alles um seine Rasta-Philosophie.«
»Aber sie sind nett.«
»Ja, ja, und wie, ich weiß gar nicht, was ich ohne Daniele anfangen würde. Er hat sich auch ein paar meiner Geschichten anhören müssen und Mary, ja Mary versöhnt dich mit der Welt. Wenn dich gerade die Paranoia gepackt hat, entdeckst du plötzlich, dass man auch glücklich sein kann, weil am nächsten Tag deine Lieblingsklatschzeitschrift erscheint. Also, das ist genial.«
Ich pruste los.
»Manchmal möchte ich auch so sein …«
»Wie?«
»Jemand, der so wenig zum Glück braucht. Damit will ich nicht sagen, dass Mary blöd ist oder so, vielleicht spielt sie auch ein bisschen mit dieser Rolle, aber ein wenig ist sie wirklich so. Sie ist ganz praktisch veranlagt, jetzt geht sie nach Mailand an die Uni und ist glücklich, weil sie nach Mailand an die Uni geht. Also, für mich ist das absurd.«
Ich kann ihr nicht mehr folgen.
»Wie meinst du das?«
»Du musst sie mal beobachten, wenn sie ihre Zeitschriften durchblättert. Da ist sie ganz gebannt. Dann sagt sie ab und zu ›echt blöd‹ und blättert um. So ist sie eben. Wenn ihr etwas nicht gefällt, blättert sie um.«
Ihre psychologische Analyse überzeugt mich nicht, aber ich sage nichts dazu.
»Los, spring rein!«
»Okay!«
»Und danke.«
»Wofür?«
»Für gestern.«
»Ach so.«
»Du warst wirklich nett.«
»Du auch, du hast mir auch zugehört.«
Sie lächelt und taucht wieder unter. Ich lege meine Sachen auf eine Liege aus Tropenholz und steige über die Steintreppe in den Pool. Halb im Wasser verborgen sind dort zwei breite Sitze aus weißem Stein. Ich fühle mich wie eine Prinzessin, die den Ballsaal betritt. Aber das Wasser ist warm, und deshalb ist es nicht so angenehm, wie ich es mir vorgestellt habe.
»Es gibt auch Massagedüsen«, sagt Martina, vermutlich hat sie meinen Blick des Armen-Mädchens-das-gerade-das-Schloss-betritt bemerkt.
»Das ist echt toll«, sage ich, weil mir nichts anderes einfällt, um dieses Paradies zu beschreiben. Ich frage mich, ob die Leute, die sie im Chiringuito bedient, wissen, dass sie an so einem Ort wohnt.
»Also, das heißt«, fährt Martina fort, als hätten wir unser Gespräch nie unterbrochen, »Mary wird niemals unglücklich sein. Sie will etwas und versucht es zu erreichen, so ist sie eben … und dann hat sie wohl auch weniger Probleme zu Hause.«
»Das zählt auch.«
»Ja, stimmt. Guck mal, ich zeig dir was. Das Spiel heißt ›Wasserleiche im Pool‹.«
»Wie bitte?«
»Du musst alle Luft aus den Lungen ausstoßen, dann gehst du unter und kannst dich auf den Grund des Pools legen.«
Sie wirkt glücklich wie ein kleines Mädchen, während sie mir ihr makabres Spiel erklärt, und ich versuche mit einem wenig überzeugten Lächeln, ihre Begeisterung zu teilen.
Ohne ein weiteres Wort taucht Martina unter und beginnt zu sinken, indem sie Luft ausstößt. Ein paar Sekunden später liegt sie flach auf dem Grund, mit dem Bauch nach unten, wie sie gesagt hat. Ich betrachte ihre vom Wasser verzerrten Umrisse auf dem weißen Stein.
»Hallo«, sagt jemand hinter mir und ich drehe mich ruckartig um.
Ein Mann, so um die dreißig, steht am Rand des Pools. Er sieht mich mit einem kumpelhaften Lächeln an. Die Arme hat er in Superman-Pose in die Seiten gestützt, seine dunklen Haare sind nach hinten gekämmt. Er ist tiefbraun, trägt eine Minibadehose und hat ganz offensichtlich Gefallen daran, seine Männlichkeit zur Schau zu stellen.
»Hallo.«
»Du bist Alice, stimmt’s?«
»Ja.«
Das muss der Freund der Mutter sein, und er entspricht genau meinen Vorstellungen.
»Ich bin Marco. Schön, der Pool, nicht?«
»Ja, hier ist alles wunderschön, auch das Haus.«
»Warst du schon drinnen?«
»Nein, das nicht, aber von außen wirkt es sehr schön.«
»Wenn du willst, führe ich dich herum.«
Martina liegt immer noch regungslos auf dem Grund. Ich bekomme allmählich ein ungutes Gefühl. Keine Ahnung, ob das am Anblick von Martina als Leiche oder an der Anwesenheit
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