Ich mag dich wie du bist
echt ist. Wenn du wieder mit ihm rumknutschst, solltest du mal seinen Hals kontrollieren, ob dort nicht irgendwo Made in China steht.
Danach gehen ein paar Tage ins Land und Daniele lässt immer noch nichts von sich hören. Aber ich habe Lucas Ratschläge befolgt und es ist mir völlig egal. Auch wenn das nicht gerade leicht ist, denn damit mir das völlig egal sein kann, muss ich bei meinen Eltern bleiben und mit ihnen ans Meer fahren. Wenn ich zum Chiringuito ginge, würde es ja so aussehen, als suchte ich nach ihm. Und er soll nicht denken, dass ich nach ihm gesucht habe. Allerdings hat die Ankunft meiner Großeltern bei uns einiges verändert und unsere internen Konflikte etwas entschärft. Am Abend essen wir alle zusammen, manchmal ist auch Clara dabei, und ich denke nicht allzu viel an Daniele. Ich habe ein neues Buch angefangen, How to be good von Nick Hornby, die Geschichte von einem Ex-Kiffer, der nach dem Konsum von irgendeiner Droge herausfindet, dass er über eine Art Macht verfügt, anderen Menschen zu helfen. Das einzige Problem (meines, nicht im Buch) ist, dass ich beim Lesen nicht das Gesicht von irgendeinem Kiffer vor Augen habe, sondern Danieles. Das hat wohl damit zu tun, dass er ein wenig alternativ ist und sich gern mal eine Tüte reinzieht. Aber es zwingt mich auch, mir darüber Gedanken zu machen, ob das mit dem »Egal, alles scheißegal« wirklich so toll funktioniert.
Damit meine ich jetzt nicht, dass mich das runterzieht oder so, zumal ich eine überzeugte Anhängerin von Chiaras Theorie bin (sie ist wie anscheinend alle meine Freunde mit einem ganzen Sack von Weisheiten ausgestattet). Chiara meint, dass man nur einmal von einem Typen runtergezogen werden kann. Danach kann man sich verlieben, enttäuscht werden und so weiter, aber das ist nicht mehr dasselbe. Denn dass es einen total runterzieht, ist etwas ganz anderes. Und wenn einem das einmal passiert ist, und dem Himmel sei Dank, das habe ich schon hinter mir, dann ist man sein Leben lang dagegen immun. Je früher es einem passiert, umso besser. Das ist wohl so ähnlich, wie wenn man sich Löcher in die Ohrläppchen stechen lässt, da sagt man auch, man sollte sich die lieber durchstechen lassen, wenn man noch klein ist, weil sie dann weniger schmerzempfindlich sind.
Tja, Ohrlöcher habe ich schon.
Trotzdem könnte Daniele mich jetzt endlich mal anrufen.
Eines Abends, als ich den Abwasch mache und mich davor hüte, Lucas Zen-Prinzipien anzuwenden (beim letzten Mal habe ich mich in eine peinliche Kreuzung aus Dalai Lama und honigsüßem Zuckerguss verwandelt), kommt meine Mutter dazu, mit diesem Gesichtsausdruck »Ich muss dich mal sprechen«.
»Alles in Ordnung, Alice?«
»Ja«, antworte ich knapp und gleichzeitig provokant, in diesem Ton, den man nur Müttern gegenüber anschlägt.
»Ich sehe doch, dass du in letzter Zeit etwas abwesend bist, bist du sicher, dass alles in Ordnung ist?«
»Ja, ja, ganz sicher.«
»Hast du vielleicht Lust, mit mir einen Limoncello in der Bar zu trinken und du erzählst mir, was los ist?«
»Heute Abend nicht … also, ich bin wirklich müde.«
»Ach so, okay.«
Pause.
»Der Animateur fragt mich ständig nach dir, warum kommst du nicht mal mit zum ReKreativ-Aperitif an den Pool? Das ist nichts Besonderes und kreativ sind wir auch nicht gerade, aber da sitzen dann alle Frauen vom Campingplatz zusammen und haben schon halb einen sitzen, das allein ist schon lustig.«
Ich muss lächeln, und einen Augenblick lasse ich mir das Angebot meiner Mutter mit dem Limoncello in der Bar noch einmal durch den Kopf gehen. Aber ich habe Angst davor, wie das alles enden könnte, nicht so sehr wegen dem, was ich ihr erzählen müsste, sondern wegen der hellseherischen Fähigkeiten meiner Mutter.
»Du bist ja nach der Party gar nicht mehr zu deinen Freunden gegangen, ist irgendetwas passiert?«
Da haben wir’s, genau das habe ich gemeint.
»Irgendetwas mit diesem Jungen?«
»Junge? Welcher Junge?«
»Ach, jetzt komm schon, der mit der Löwenmähne auf dem Kopf.«
»Mama, er hat Dreadlocks, und trotzdem nein … da ist gar nichts passiert … morgen wollte ich mal wieder bei ihnen vorbeischauen, wenn das für euch in Ordnung geht.«
Das war der Mutter-Abwehr-Autopilot, der da gesprochen hat.
Ich habe nichts damit zu tun.
Siebenundfünfzig
Jetzt bin ich also doch wieder beim Chiringuito. Das war gar nicht so einfach. Und damit meine ich nicht die sozialen und emotionalen Verwicklungen, die diese
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