Ich mag dich wie du bist
so daran gewöhnt, dich als Fernberater an meiner Seite zu haben, und wenn du jetzt wirklich hier bei mir bist, dann ist das irgendwie merkwürdig.«
Der Satz mit dem Fernberater scheint ihm nicht besonders zu gefallen. Zugegeben, das war auch ein wenig hart. Ich versuche, es wieder hinzubiegen.
»Aber ich freue mich, dass du da bist.«
»Ist es wegen Daniele?«
»Nein, das heißt, keine Ahnung, vielleicht auch seinetwegen.«
»Er weiß schon, dass wir mal zusammen waren?«
»Nein, ich habe es ihm nicht gesagt, das ist doch egal, ich muss ihm ja nicht alles sagen.«
»Aber er ist sauer?«
»Nein, das nicht, aber … na ja, wenn du hier bist, habe ich weniger Zeit für ihn und außerdem wohnst du noch auf demselben Campingplatz, direkt neben seinem Zelt. Er weiß, dass du mein bester Freund bist, aber trotzdem ist es wohl verständlich, wenn er das nicht so gut aufgenommen hat.«
»Willst du mir etwa sagen, dass ihn das stört?«
»Nein, ich weiß es nicht, das ist nur so ein Gefühl, vielleicht spinne ich mir da auch nur etwas zusammen.«
»Gestern Abend wirkte er ganz ruhig, auch mir gegenüber.«
»Wann gestern Abend?«, frage ich in schärferem Verhörton als beabsichtigt.
»Gestern Abend, als ich auf den Campingplatz zurückkam. Er war da, zusammen mit Martina, Roby und diesem Mädchen, der Cousine von der aus Apulien.«
»Ach.«
»Wir haben noch ein wenig gequatscht und er war sehr nett zu mir, er wirkte überhaupt nicht sauer auf mich, auch dann nicht, als nur noch wir zwei übrig waren und …«
»Und was?«
»Ach, gar nichts, am Schluss waren nur noch wir beide übrig, das ist alles, ich wollte dir nur sagen, dass er ganz ruhig war.«
»Okay.«
»Aber hat er sich denn irgendwie verändert?«
»Nein, nein, alles in Ordnung, lass gut sein, ich habe mir nur wieder mein übliches Päckchen Wahnvorstellungen zusammengereimt.«
»Na, aber eine XXL-Familienpackung, würde ich sagen.«
»Drei zum Preis von zweien und noch zwanzig Prozent gratis.«
»Und fünfzig Treuepunkte obendrauf.«
»Ist ja schon gut«, sage ich lachend, »Thema beendet.«
Siebenundsechzig
Mit Lucas Ankunft haben sich meine Ferien endgültig Richtung Chiringuito verlagert. Jetzt sehe ich meine Eltern nur noch am Morgen zum Frühstück, auch das nicht immer, und zum Abendessen, wenn ich zurückkomme. Sie lassen mich gewähren. Ich merke zwar, dass sie nicht glücklich darüber sind, aber ich glaube, dass Lucas Anwesenheit sie beruhigt.
Mittags esse ich zusammen mit Daniele etwas auf dem Campingplatz, und manchmal lassen wir das ausfallen, bleiben im Zelt und schlafen miteinander. Am Nachmittag gehen wir wieder an den Strand, aber nie vor fünf Uhr, und dann sind wir mit den anderen auf dem üblichen Felsen, wo Luca die meiste Zeit des Tages verbringt. Er kommt nur zum Schlafen auf den Campingplatz zurück, und morgens ist er nie dort, zumindest sagt das Daniele. Martina ist auffallend ruhig, sie redet viel mit Luca und amüsiert sich über seine Albereien. Auch Rosa unterhält sich oft mit Luca, und ich habe den Eindruck, dass sie ein bisschen mit ihm flirtet. Alle hören seine Geschichten und Theorien gern, die er von morgens bis abends unters Volk bringt. Ab und zu denke ich an das Schuljahr, das mich erwartet, an die Rückkehr in die Schule in eine neue Klasse, an das, was wohl die Lehrer sagen werden, aber ich versuche dann immer, diese Gedanken so schnell wie möglich beiseitezuschieben, obwohl ich allmählich spüre, wie das Ende der Ferien näher rückt.
Mary und ihre Cousine liegen von Kopf bis Fuß eingeölt in der Sonne. Die anderen diskutieren über die Rasta-Philosophie, das Thema, das Daniele bei jeder sich bietenden Gelegenheit hervorkramt. Plötzlich spricht mich Martina an.
»Wollen wir schwimmen gehen?«
Ich denke gerade an den ersten Schultag in einer neuen Klasse, wo ich für die neuen Klassenkameraden zumindest am Anfang erst mal »Alice – die, die sitzen geblieben ist« sein werde. Daher landet Martinas Vorschlag erst einmal in der Warteschleife.
»Ali, kannst du mich hören?«
»Jaja, entschuldige, was war noch mal, du willst mal kurz verschwinden?«
Martina prustet los.
»Ich habe dich gefragt, ob wir schwimmen gehen wollen.«
»Ach so, okay, ja sicher, gern.«
Martina springt kopfüber vom Rand des Felsens, während ich mich vorsichtig hinsetze und dann ins Wasser gleiten lasse.
Wir schwimmen hinaus oder, genauer gesagt, ich schwimme Martina hinterher, die hinausschwimmt. Mein Kopf
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