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Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Titel: Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Koslow
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voce
zugeflüstert, als sie die Geschenkparty für die Braut in einer Chicagoer Dessous-Boutique für mich ausrichtete, die sich auf nicht jugendfreie Unterwäsche mit farblich passendem Sexspielzeug spezialisiert hatte. Ich bekam genug Stringtangas, um ein Bordell auszustatten, und die einunddreißig Gäste gingen alle mit einem Vibrator nach Hause, der als Lippenstift getarnt war.
    Drei Wochen später war ich wenn auch keine strahlende Kapitelüberschrift, so doch eine hübsche Fußnote in der Geschichte der Braut. Mein Haar hochgesteckt zu tragen war jedoch definitiv die falsche Entscheidung gewesen – ich sah aus wie eine Hostess in einem Howard-Johnson-Restaurant. Aber es war nicht das allein oder der Umstand, dass Rabbi Strauss Sherman für diesen Tag zwei Termine zugesagt hatte und daher einen jungen, etwas nervösen Kollegen schicken musste. Als ich später die Hochzeitsfotos ansah, blickte mir eine ängstliche Braut entgegen.
    Ich ging am Arm meines Vaters den Mittelgang entlang. Unter der Chuppa, zwei Meter vor mir, wartete ein Fremder auf mich. Es dauerte einen Augenblick, ehe ich erkannte, dass es Barry Marx war, der in zehn Minuten mein Ehemann sein würde. Für immer. Mir brach der Schweiß aus, und ich fürchtete, dass man die Schwitzflecken sehen könnte, als ich auf dem weißen Teppich voranstolperte, der auf unserem Rasen ausgerollt worden war und die Divines auf der einen von den Marxes auf der anderen Seite trennte. Mein Dad, der weiß wie Milch war, klopfte mir beruhigend auf den Arm. Wir tauschten einen Blick, und in seinem Gesicht sah ich die gleiche Furcht, die auch ich spürte.
    An die Gelübde erinnere ich mich nicht mehr. Ich erinnere mich an überhaupt keine Einzelheiten der Zeremonie mehr, nur noch an Barrys theatralischen Zungenkuss. Welche romantische Ballade hatte ich eigentlich nach langem Hinundherüberlegen ausgewählt, damit sie unseren ersten gemeinsamen Weg als Mann und Frau untermalte? In meinen Ohren hallte die Stille wider.
    Und dann begann der Empfang – laut, lang, pulsierend. In Chicago wird es spät dämmrig, und erst um zehn funkelten, zusammen mit einer Handvoll Sterne, die in den Eichen versteckten Lichter wie blitzende Diamanten auf. Aufgrund der anhaltenden Wärme tranken die Leute nicht nur die Granatapfel-Martinis, die nach der Hochzeitszeremonie gereicht wurden, sondern auch kistenweise eisgekühlten Pinot Grigio und, später, Champagner.
    Eigentlich finde ich nichts schlimmer als eine betrunkene Frau, doch auch ich hatte eindeutig einen Schwips. Unter allerlei anzüglichen Verrenkungen und zigarettenrauchend gaben meine Schwester und ich inmitten eines Kreises uns beklatschender Freundinnen unsere Klassiker-Vorstellung als Molly und Lucy-Dussely, die nur deshalb nicht unanständig war, weil sie von hochzeitlich herausgeputzten Zwillingsschwestern aufgeführt wurde. Schon bald gesellten sich Brie, meine anderen Uni-Freunde und die aus New York dazu, aufmerksam beobachtet von einer abseits stehenden Isadora, die zu soigniert war für so ein Verhalten.
    »So muss es sich anfühlen, wenn man glücklich ist«, sagte ich zu Brie, als wir auf der Tanzfläche herumwirbelten und im Rhythmus des Beats mit dem Hintern wackelten.
    Als die Band eine Pause machte, ging ich durch die Hintertür ins Haus und nach oben, um mit Hilfe von parfümiertem Talkumpuder zu retten, was von der anmutigen Braut noch übrig geblieben war. Ich erkannte Barrys unverkennbares Lachen gleich, als ich wieder aus meinem Badezimmer kam. Es ist die Art schallendes Gelächter, bei dem sich die Leute im Kino umdrehen; jeder ehrgeizige Komiker sollte sich einen bezahlten Gast mit so einer begeisterten Lache ins Publikum holen. Das Lachen hörte abrupt auf, doch es war von unten gekommen, und so ging ich die Treppe hinunter.
    Ich hatte die Diele erreicht, als Barry aus dem Gästebad kam und in Richtung der Tür davonging, die nach draußen führte. Ich wollte gerade seinen Namen rufen, da ging die Tür erneut auf. Einer seiner Hochzeitsgäste aus New York – eine Frau, Remy, Romy, Ronnie? – trat ebenfalls aus dem Bad und stöckelte in die andere Richtung davon. Was dazu führte, dass wir zusammenstießen.
    »Molly«, sagte sie verlegen. Ihr brauner Glanzlippenstift war verschmiert und ihr langes rotes Haar zerzaust. Ich konnte nicht sagen, ob die Frisur so beabsichtigt war oder ob sich die hochtoupierte Haarpracht infolge gieriger Fummelei aufgelöst hatte. »Was für eine tolle Hochzeit!«,

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