Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben
mich in allen Stürmen des Lebens beschützen werde. Und ein Diamantring war auch noch dabei.
Ich starrte den Ring an, als könnte er jeden Augenblick explodieren. Wir hatten noch nicht mal darüber gesprochen, zusammenzuziehen. Ehrlich gesagt hatte ich gehofft, Barry würde mir ein extravagantes Geburtstagsgeschenk machen, ein Art-déco-Armband oder das Paar teurer großer Goldkreolen, um das ich bei Saks schon eine Weile herumschlich. Stattdessen machte er mir nach einer nur sechsmonatigen Beziehung einen Heiratsantrag.
»Molly Divine, du bist die Frau meines Lebens«, sagte er. »Das habe ich vom ersten Augenblick an gewusst.«
Nach einem kurzen Intermezzo mit Barry zu College-Zeiten hatte ich drei ernsthafte Beziehungen gehabt. Trevor, der mich wegen Sarah sitzen ließ, Jeff, den ich sitzen ließ, nachdem ich beim Sex mit ihm eingeschlafen war, und Christian, mit dem ich Schluss machte, nicht weil er Christ war, sondern weil ich mit niemandem, der unter Horsd’œuvres Russische Eier mit Mirakel Whip versteht, alt werden kann.
Ich überlegte, welche Vorzüge Barry besaß. Er hatte diese spielerische Art im Umgang mit den kleinen Kindern von Freunden. Und er kam ganz ohne Karten und Wegweiser durchs Leben. Das meine ich wörtlich, der Mann war ein lebendes GP S-System . Er konnte noch fünf Jahre später aus dem Gedächtnis oder immer dem Geruch nach, was weiß ich, eine entlegene Adresse wiederfinden, die er nur ein einziges Mal aufgesucht hatte, wogegen ich die geradezu unheimliche Fähigkeit besitze, immer links abzubiegen, wenn es rechtsherum weitergeht. Ich dachte an seine breiten Schultern, seine schmalen Hüften, an seine langen, ruhigen Chirurgenhände, die makellos gepflegt waren. Und er schien genau zu wissen, welches Leben er führen wollte, während ich mich noch nicht mal entscheiden konnte, ob ich zum Lunch den Salat mit Hühnchen oder doch lieber den mit Thunfisch nehmen sollte.
Mir gefiel, dass er mich mochte. Mich wollte. Mich anscheinend liebte.
Also beschloss ich auf der Stelle, dass siebenundzwanzig genau das richtige Alter zum Heiraten sei: Man ist noch nicht zu zynisch oder zu faltig für ein langes weißes Kleid und – hoffentlich – schon alt genug, um zu wissen, worauf man sich einlässt. Und man hat noch eine gute Chance auf Schwangerschaft, ehe die hormonellen Schwankungen beginnen und die Rennerei von einem Spezialisten für künstliche Befruchtung zum nächsten.
An jenem Tag, an dem er die gewisse Frage stellte, fand Barry Marx all die richtigen Worte: »Ich möchte meine Seele mit deinerverbinden.« Und ich weinte so sehr, dass mir die Tränen herunterliefen und aufs Tischtuch tropften. Ich habe ihm für seinen Antrag sogar gedankt.
Er muss sich ziemlich sicher gewesen sein, dass ich ja sage, denn nach dem Essen fuhren wir vom Restaurant direkt zur Wohnung seiner Mutter, wo mindestens ein Dutzend Verwandte und enge Freunde seiner Familie versammelt waren, um auf unser zukünftiges Glück anzustoßen. »Auf Dr. und Mrs. Marx«, sagte Kitty und hob ihr Glas Veuve Clicquot. Bis zu diesem Augenblick war mir nie der Gedanke gekommen, dass ich irgendwann einmal nicht mehr Divine heißen könnte. Meinen Namen mochte ich sehr, auch wenn ich ihn mit einer fettleibigen Dragqueen teilen musste. Doch Barry wiederholte Kittys Worte: »Auf Mrs. Marx«, und ich wurde von den Gratulanten fast erdrückt. Erst spätabends, als Barry mich bei mir zu Hause in der Jane Street abgesetzt hatte, rief ich meine Eltern an.
»Larry wer?«, fragte mein Vater.
»Barry«, korrigierte ich. »Barry Marx. Der Arzt.«
»Der Schönheitschirurg?«, fragte meine Mutter.
»Plastischer Chirurg.«
Das Schweigen stand wie eine Eiswand zwischen New York und Chicago. »Bist du dir auch ganz sicher, mein Schatz?«, fragte meine Mutter schließlich weiter. »Du hast doch gerade erst mit Christopher Schluss gemacht.«
»Christian«, erwiderte ich. »Und es ist schon ein Dreivierteljahr her.« Als sie von unserer einvernehmlichen Trennung gehört hatte, fiel meiner Mutter ein solcher Stein vom Herzen, dass sie mir umgehend eine Mitgliedschaft bei der jüdischen Single-Börse JDate schenkte. »Die Ehe ist schwierig genug, auch ohne dass euch Jesus dazwischenfunkt«, sagte sie.
»Wann werden wir diesen Barry denn mal kennenlernen?«, fragten meine Eltern jetzt mehr oder weniger gleichzeitig. Und ich fühlte mich sofort wie eine undankbare Göre, weil ich spontan den Heiratsantrag eines Mannes angenommen hatte,
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