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Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Titel: Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Koslow
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den meineEltern noch nicht mal zu Gesicht bekommen hatten. Meine Mutter und mein Vater waren, dachte ich oft, geradezu perfekt – zwei Menschen, für die ich enormen Respekt empfand, die großzügig waren und die sich gerade so stark in mein Leben einmischten, dass ich ihre liebevolle Sorge spürte.
    »Mal sehen«, sagte ich leise.
    »Hat Lucy ihn schon kennengelernt?«, fragte mein Vater. Wenn Lucy etwas von Barry hielt, dann hätte auch er keine Bedenken. Der Familienlegende der Divines zufolge waren mein Vater und Lucy die beiden Vernünftigen, während ich wie meine Mutter als gutherzige, aber etwas wirre Blondine galt.
    »Noch nicht«, erwiderte ich. Dieses Gespräch verlief ganz und gar nicht so, wie ich gehofft hatte. Meine Eltern sollten vor Glück Luftsprünge machten und nicht kritische Fragen abfeuern, als wären wir hier auf einer Pressekonferenz. »Freut ihr euch denn gar nicht?«, fragte ich schließlich. Und wenn das etwas jammernd klang, muss ich zu meiner Verteidigung sagen, es war ziemlich spät am Abend und mein Gesicht tat schon weh vom ständigen Lächeln.
    »Molly, mein Schatz, wenn du diesen Mann heiraten willst, muss er etwas ganz Besonderes sein«, sagte meine Mutter, die mich nicht nur stets eisern unterstützt hatte, sondern auch wusste, wann man ein Gespräch beenden sollte. »Aber übereile nichts. Bleibt doch erst mal eine Weile verlobt.«
    Am nächsten Tag setzten Barry und ich einen Termin fest, der uns nur vier Monate Zeit ließ bis zur Hochzeit, und ich stürzte mich in die Vorbereitungen. Die Einladungen gedruckt oder handgeschrieben? Ein DJ oder eine Band? Fasan oder Wolfsbarsch? Zelt oder nicht? Mittags oder in der Abenddämmerung? Bentley-Oldtimer oder rosa Cadillac? Hochsteckfrisur oder lose herabfallendes Haar? Kein Detail war zu nebensächlich, um nicht analysiert zu werden, als sei es eine Zeile aus dem Talmud.
    Barry war für den Bentley und die Band, sonst äußerte er keine eigene Meinung. »So etwas machst du nur einmal im Leben, Molly – ich bin mit allem einverstanden, was du möchtest«, erklärteer und gab mir das Gefühl, so sehr von einem Mann geliebt zu werden wie noch nie zuvor.
    »Ich hätte dich nie für eine dieser durchgedrehten Bräute gehalten«, sagte Brie, als wir zusammen auf Brautkleidsuche waren.
    Brie hatte recht. Ich erfüllte alle Klischees und war so besessen von jeder einzelnen Entscheidung, als hinge das Leben kleiner Kinder davon ab. Eine Hochzeit in Pink? Zu kitschig. In Gelb? Unvorteilhaft für achtzig Prozent aller Hauttypen, laut der Zeitschrift ›Allure‹. Blau würde gehen, aber »nichts zu Karibisches«, dozierte ich und wedelte mit Farbmustern. Ich hatte meine Eltern gezwungen, für eine beträchtliche Summe eine Hochzeitsplanerin anzuheuern, und der schärfte ich jetzt ein: »Es muss ein ganz blasses Blau sein, so wie ein Entenei.« Wendungen wie »zu sehr Ton in Ton« hielten Einzug in mein Vokabular. Die Leute machten sich garantiert bereits lustig über mich, doch was interessierte mich das, so versunken wie ich war in meine Brautwelt.
    Als es um das Hochzeitskleid ging, holte Brie mich jedoch wieder auf den Boden zurück. Nachdem ich über etwa fünfhundert möglichen Modellen gebrütet hatte, die ich mir aus allen vorhandenen Zeitschriften für Brautmoden – sogar aus ›Las Vegas Wedding‹ – zusammengesammelt hatte, und nachdem wir eine Shoppingtour mit viel Oh und Ah und Tee und allem Drum und Dran hinter uns hatten, schleppte mich Brie schließlich in einen kleinen, unscheinbaren Laden, und ich gab etwa ein Fünftel von dem aus, was eine Vera-Wang-Kreation gekostet hätte. »Ich wäre die Letzte auf dieser Welt, die je nein sagen würde zu Designerklamotten«, erklärte Brie und stand wie zum Beweis von oben bis unten maßgeschneidert gekleidet neben mir, während ich vierzehn Kleider in dreißig Minuten anprobierte. »Aber wirf für dieses Kleid kein Geld raus. Du würdest auch in einem Wäschesack gut aussehen, und ehrlich gesagt, es achtet sowieso niemand darauf oder erinnert sich später daran. Schulterfrei ist schulterfrei.«
    In der Welt der Mode gehöre ich zum Fußvolk, nicht zu den befehlshabenden Offizieren, und so gehorchte ich. Brie riet mir zueinem schmal geschnittenen Satinkleid, das nur mit ein paar verstreuten blaugrauen Kristallen geschmückt war. »Die nehmen das Blau deiner Augen auf«, sagte sie, aber vermutlich glaubte sie bloß, dass ich in einem Futteralkleid schlanker wirken würde. Wir nähten ein

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