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Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Titel: Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Koslow
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hatte.
    Ich drehte mein Weinglas auf dem Holztisch im Kreis. Mein Ehering fing das Licht ein, und die in das Gold eingelassenen Diamanten funkelten in einem Strahlenkranz, der Ewigkeit zu versprechen schien.
    »Ich habe dich schon verstanden«, sagte ich.
    »Da bin ich mir nicht so sicher«, erwiderte Brie und legte eine Hand auf meine, damit ich mit dem Gekreisel aufhörte. »Sieh mich an.«
    Widerwillig tat ich es.
    »Wenn irgendwer auf ein Podest gehört, dann du, Molly. Nicht er. Seit du Barry Marx kennengelernt hast, gibt’s bei dir nur noch eine Haltung: Ich hier unten, du da oben.« Jetzt begann Brie auch noch den Cole-Porter-Song zu singen:
»I’m the bottom, you’re the top.«
    »Okay, das reicht«, flüsterte ich. Bries Gesang hatte bereits die Aufmerksamkeit der beiden Frauen am Nebentisch auf sich gezogen. Ihre stimmlichen Fähigkeiten ließen etwas zu wünschen übrig. »Danke für deine hohe Meinung von mir, aber ich will, dass meine Ehe funktioniert.«
    »Ja?«, entgegnete sie. »Auf diese Weise?«
    »Niemand bringt einem bei, wie man eine Ehe führt«, sagte ichund hörte mich selbst in einem Ton sprechen, den man besser diesen unsäglichen Motivationsrednern überlässt. »Meinen Eltern kann ich schlecht nacheifern – da liegt die Messlatte so verdammt hoch, dass es ein Fluch ist.« Es ist nicht so, dass Dan und Claire Divine unentwegt miteinander turteln, bis einem schlecht wird. Aber sie bringen sich immer noch gegenseitig zum Lachen, und manchmal ertappe ich meinen Vater dabei, wie er meine Mutter anstarrt – sogar wenn sie vom Tennis kommt, ihr der Schweiß herunterläuft und das Haar sich um ihr feingeschnittenes Gesicht kräuselt – mit einem Blick, der besagt: »Wie konnte ein dummer Kerl wie ich nur je dieses große Los ziehen?« Meine Mutter wiederum hält große Stücke auf die Macht der Dessous. Ich meinte immer eine Menge über das Liebesleben meiner Eltern zu wissen, allein wegen der Wäsche meiner Mutter, die aus schwerer Seide ist, raffiniert und knapp genug geschnitten, dass ihre cellulitefreien Beine zur Geltung kommen. Zu jedem verführerischen Nachthemdchen hat sie den passenden Morgenmantel, ein dünner Baumwollkaftan, ein bestickter Kimono oder eine Samttunika in elisabethanischen Farbtönen. Lucy nennt sie »die Geisha«.
    »Außerdem«, fügte ich hinzu, »kennst du Barry doch gar nicht so gut. Ich finde dich da ein bisschen arrogant.«
    »Du hast recht, Molly«, erwiderte Brie und lehnte sich in ihren Stuhl zurück. »Ich bin Single. Was weiß ich schon?« Mit ihren Worten lenkte sie ein, doch im Ton keineswegs. »Ich will nur nicht, dass du dich selbst aufgibst.«
    »Es ist lieb, dass du dir Sorgen um mich machst«, sagte ich nach ungefähr einer Minute. »Ich mache mir auch Sorgen um dich. Vor allem darum, dass du durchbrennen könntest.« Zu diesem Zeitpunkt war Brie noch fünf Männer entfernt von ihrem Comingout als Tochter Sapphos. »Ich bin Egoistin. Ich habe Angst, dich an einen Urwaldtypen zu verlieren, der mit dir im tiefsten Dschungel leben will – ohne Fön und Zahnaufheller.«
    Brie lachte, ein tiefes, kehliges Glucksen, das ich am liebsten jetzt sofort noch einmal hören würde. »Also, erzähl mir endlich von demFotografen, den du kennengelernt hast«, sagte ich, und sie beschrieb ihre neueste Eroberung, einen Luke Sowieso, in allen Details von Kopf bis Fuß. Schwarzes Haar, blaue Augen, lange Beine.
    Meine Gedanken kreisten zwar noch immer um dieses Molly-gibt-sich-selbst-auf, doch unterschwellig muss ich etwas mitbekommen haben. Denn als ich Luke Delaney ein Jahr später begegnete, machte es irgendwo in den Tiefen meines Bewusstseins »Klick«, und ich näherte mich diesem Mann ziemlich freimütig. Ich sah ihm einfach direkt in die Augen, etwas, was ich zu oft unterließ, wie Barry mir schon wiederholt vorgeworfen hatte; einer meiner vielen Fehler, auf die er mich im zweiten Jahr unserer Ehe nur zu gern hinwies, damit ich eine perfektere Frau und Gefährtin werden konnte.
     
    Ich begegnete Luke auf dem John-F.-Kennedy-Flughafen. »Ent schuldigen Sie, sind Sie nicht Molly, die Freundin von Brie?«, fragte mich ein schwarzhaariger Mann, gleich nachdem ich erfahren hatte, dass mein Flug nach London überbucht war und ich erst Stunden später mit der nächsten Maschine wegkommen würde.
    »Ja, ich bin Molly«, erwiderte ich. »Molly Marx.« Ich versuchte zu lächeln, war aber so verärgert über die Verzögerung, dass es mir lediglich gelang, ihn nicht

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