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Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Titel: Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Koslow
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verspürte. Ich bezweifelte, dass er überhaupt zu Hause war, doch ich wollte eine Nachricht auf Band hinterlassen.
    Er nahm nach dem ersten Klingeln ab. »Molly, du?«, sagte Barry und schien dann aufmerksam meiner Erzählung von denUnbilden meiner Reise zu lauschen. »Wie wär’s, wenn ich zum Flughafen komme und wir gehen zusammen essen?«
    Barry benahm sich plötzlich wie der perfekte Ehemann, während ich Wein süffelte mit einem Typen, der mit jedem Schluck besser aussah und mit dem ich auf der anderen Seite des Teiches sechs Tage lang zusammenarbeiten würde. In welche Parallelwelt hatte die Flughafenlimousine mich transportiert? »Das würdest du tun?«, fragte ich ungläubig.
    »Warum nicht?«, erwiderte er. »Ich springe ins Auto – und bin in, sagen wir, vierzig Minuten da. Morgen ist mein freier Tag. Ich kann’s mir also leisten, spät ins Bett zu kommen.«
    Ich fühlte mich wie ein Schwein. Wer war dieser Ehemann, der sich da so um mein Wohlergehen sorgte, fragte ich mich, als Luke mit dem Getränkenachschub zurückkam. »Barry, für den Vorschlag liebe ich dich, aber hier kann keiner sagen, wann genau mein Flieger geht. Es könnte sein, dass du den ganzen Weg hier herausfährst und ich schon in der Luft bin, ehe du geparkt hast.«
    Er wartete ein paar Sekunden, bevor er antwortete. »Verstehe.«
    »So ist es einfach besser«, sagte ich. Es klang ziemlich halbherzig. »Aber es hätte sicher   … Spaß gemacht.« Noch halbherziger.
    »Okay, dann viel Glück«, erwiderte er. »Ich liebe dich.«
    »Ich liebe dich auch.« Ich sprach es ziemlich laut aus, vor allem um mich selbst daran zu erinnern, dass ich eine verheiratete Frau war, aber auch für Luke, falls er unter meinen Ringen den einen bestimmten nicht gesehen hatte.
    Irgendwann konnten wir schließlich an Bord gehen. Wir hatten Plätze nebeneinander. Ich überlegte, ob ich mir Neosporin-Salbe in die Ohren und auf die Oberlippe tupfen sollte, meine liebste Allzweckwaffe im Feldzug gegen die Keime in der Flugzeugluft.
    Das Neosporin blieb in meiner Handtasche. Luke und ich plauderten immer weiter, und irgendwo über Grönland erfuhr ich, dass auch er ein Zwilling war, ein eineiiger Zwilling. Sein Bruder Micah unterrichtete Englisch am Dartmouth College.
    »Vielleicht sollten wir deinen Bruder mit meiner Schwester verkuppeln«, schlug ich vor.
    »Besser nicht«, sagte er. »Mein Bruder ist verheiratet. Aber warum nicht mit mir? Das heißt«, fügte er hinzu, »wenn deine Schwester dir irgendwie ähnlich ist.« Nach dem vierten Glas Wein – vielleicht war’s auch das fünfte – hatte sich der schüchterne Typ, dem ich am Spätnachmittag begegnet war, in Luft aufgelöst.
    Es war nicht so, dass am Fenster jetzt die Jungfrau Maria erschienen wäre und mir verkündet hätte, dieser Reisebegleiter würde mal ein wichtiger Mensch in meinem Leben werden. Dennoch wusste ich in diesem Augenblick – auch wenn ich noch nicht wusste, was ich mit ihm anfangen sollte   –, dass ich Luke nicht weitergeben wollte, weder an meine Schwester noch an irgendeine andere Frau.
    »Warum eigentlich nicht?«, erwiderte ich. »Ich kümmere mich darum, sobald ich zurück bin.«
    Meine erste Lüge.
    Luke kam all den Zweifeln an meiner Ehe nur allzu gelegen. Ich musste mich zusammennehmen, auch wenn ich gern den ganzen Flug bis nach England weitergeredet hätte. »Ich versuche mal ein bisschen zu schlafen«, sagte ich. »Morgen Vormittag um elf habe ich ein Treffen mit meinem Team, bei dem wir ungefähr zweihundert Fotodetails besprechen müssen.«
    »Und ich plappere wie ein Trottel«, sagte er. »Entschuldigung.« Er holte eine Schlafbrille heraus und setzte sie auf. »Sehe ich aus wie Zorro oder bloß wie ein jämmerlicher Perverser?«, fragte er mit tiefem Jeremy-Irons-Brummen in der Stimme. »Na, hast du Angst?«
    In meiner weinseligen Benebelung sah er süßer aus als ein Panda, dem eine Extradosis Testosteron verpasst worden war. »Fürch terliche Angst«, murmelte ich und hüllte mich in meinen großen Pashminaschal.
    Als ich im Morgengrauen aufwachte, steckten Lukes Beine ebenfallsunter dem Schal und seine Füße – er trug rote Socken – berührten meine. Ich tat, als würde ich schlafen, bis die Stewardess mich an der Schulter rüttelte, um sich zu vergewissern, dass ich noch lebte.
    Das waren noch Zeiten.

10
Tu dies nicht, tu das nicht
    Meine Mutter, mein Vater und Lucy sitzen gemeinsam um den Kiefernholztisch in der Küche und trinken ihre zweite Tasse

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