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Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Titel: Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Koslow
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Roman eines meiner Lieblingsbücher war, sondern weil frische rote Rüben mir auf einmal als
das
ultimative Gemüse erschienen – eines, das bereits meine mitteleuropäische Urgroßmutter angepflanzt und zubereitet haben musste. Irgendwie hatte ich das Gefühl, als würde ich durch all die Rüben, die ich verspeiste, engere Bande zu meinen Vorfahren knüpfen. Da sieht man mal, was die Schwangerschaft so alles mit den Frauen anstellt.
    »Ich habe ein neues Rezept«, versicherte ich Barry und band mir die gestärkte weiße Chefkochschürze um meinen Achteinhalb-Monate-Bauch. »Von Nigella.« Hätte ich mich je in eine Frau verlieben wollen, dann in Nigella Lawson, die mich, wenn ich so darüber nachdenke, stark an Lucy erinnerte, falls meine Schwester einen kultivierten BB C-Akzent gehabt hätte und nicht diese Chicagoer Trompetenstimme. Oje, Freud wäre sicher begeistert gewesen – das mit dem Verlieben lassen wir mal beiseite. Aber immerhin, Nigellas Rote-Rüben-Salat mit Dill und Senf habe ich mindestens achtmal zubereitet.
    Barry griff sich drei große rote Zwiebeln und begann zu jonglieren, eine Kunst, die er wie das Operieren und das fingerfertige Vorspiel beinahe perfekt beherrschte. Zwei Minuten später lagen die Zwiebeln wieder auf der Arbeitsplatte, und er trat hinter mich und legte seine warmen Hände auf die Stelle meines Bauches, wo unser Baby gerade aufgehört hatte, Purzelbäume zu schlagen. Seine Erektion drückte gegen meinen Hintern.
    »Du bist ja guter Stimmung«, sagte ich, was nicht heißen sollte, dass diese gute Stimmung in letzter Zeit selten gewesen wäre. Zwischen uns lief es bestens. Während meiner Schwangerschaft war Barrys Laune nur selten unter die Marke »gut« gefallen, dafür aber so manches Mal in höchste Höhen geschossen, und sein Sextrieb schien mit meiner fortschreitenden Schwangerschaft nur immer noch größer zu werden.
    »Mir gefällt eben dein neues häusliches Ich«, sagte er und warf einen Blick auf das Rezept in dem aufgeschlagenen Kochbuch. Als er die frische Minze schnitt, sog ich den aromatischen Duft ein und bekam plötzlich Lust auf ein großes Glas Limonade. Wäre es nicht Samstagabend und schon nach acht gewesen, hätte ich Barry gebeten, so viele Zitronen kaufen zu gehen, dass wir einen ganzen Krug voll selbstgemachter Limonade hätten fabrizieren können. Doch ich war hungrig und der Tisch bereits gedeckt, mit rustikalem Steingutgeschirr, wuchtigen bernsteinfarbenen Trinkpokalen für Barrys Wein und mein Wasser und duftenden Bienenwachskerzen.Ich musste nur die Pasta noch fertig machen, ein einfaches Rezept, das hauptsächlich auf Pecorino basierte.
    Manche Frauen halten ja die Schwangerschaft an sich für überbewertet. Denn worauf läuft es hinaus? Dein einstmals fester Hintern schwillt zu einem Wasserball an, der irgendwann, wenn die Luft erst wieder raus ist, schlaff in sich zusammensacken wird; die Gesichtszüge verändern sich; an den Beinen treten Krampfadern hervor, von denen wie in einem Flussdelta fächerförmig Äderchen abzweigen. Doch ich war wild entschlossen, diese Veränderungen an mir einfach nicht wahrzunehmen. Ich war sowieso viel zu abgelenkt von den positiven Begleiterscheinungen: von meiner brandneuen Oberweite zum Beispiel, einem Gottesgeschenk, das ich zu jeder Tages- und Nachtzeit in derart eng anliegender Kleidung mit tiefem V-Ausschnitt präsentierte, dass es die Grenze des guten Geschmacks schon überschritt. Schlampen-Mommy wäre ein passendes Etikett für mich gewesen.
    Im Winter, als mein Bauch langsam wuchs, fühlte es sich behaglich und nützlich an, eine Gebärmaschine zu sein. Das Wissen, dass sich in meinem Körper Zellen mit der Disziplin von Marinesoldaten vervielfältigten, erfüllte mich mit Ehrfurcht, und ich gönnte mir einen Becher heißen Kakao nach dem anderen, ließ das verbotene Koffein links liegen und sagte mir, dass ich das in der Milch enthaltene Kalzium benötigte. Jedes Wochenende verzog ich mich in kuscheliges Kaschmir gehüllt mit Käsesandwiches aufs Sofa, sah mir ganze Nachmittage lang Filmklassiker an und lernte die überall herumliegenden Namenbücher praktisch auswendig.
    Barry wollte einen Jungen. Er war sicher, dass wir einen Sohn bekommen würden. Kitty musterte eingehend meinen Körper – die Wölbung meines Babybauches blieb relativ schmal – und verkündete, ja, es würde einen Stammhalter für die Familie Marx geben, denn ich sähe ganz genauso aus wie sie selbst damals, als sie mit Barry

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