Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben
schwanger war. Was ich so interpretierte, dass sie mich zur seltenen Spezies der attraktiven Schwangeren zählte.Denn wenn Kitty eine Frau mit ihrer eigenen Erscheinung verglich, war das die höchste Form des Kompliments.
Barry bestand auf einem harten, männlichen Namen, einem Namen wie eine Bohrmaschine, und tat all meine Vorschläge – Dylan, Devin, Jesse, Sebastian, Nicholas, Eliah, Raphael, Oliver, Graham, Kieran – als zu niedlich ab zugunsten von Hank, Jake, Cal, Kurt, Max, Nat, Bart, Tom, Abe und Zack, vor Thor machte er dann allerdings doch halt. Ich ließ ihn wissen, dass das die Art von Namen war, die sich höchstens ein geistig minderbemittelter Hundenarr für seine Chihuahuas ausdenken würde. Wir einigten uns schließlich auf Alexander William. Doch als ich erfreut anmerkte, dass sich der erste Vorname des jungen Mr. Marx dann zu Sascha abkürzen ließe, traf Barry eine einsame Entscheidung: Wenn das Baby ein Junge war, so würde es William Alexander heißen. Und was die abseitige Möglichkeit betraf, dass wir ein Mädchen bekommen könnten, überließ Barry es, testosterongesättigt wie er war, gnädig mir ganz allein, einen Namen für diesen unwahrscheinlichen weiblichen Sprössling auszusuchen.
William Alexander.
Ein solider, vielseitiger Name. William Alexander Marx, König der Lesewettbewerbe, braver Bar-Mizwa-Zögling, Mitglied der altehrwürdigen Studentenverbindung Phi Beta Kappa, Doktor jur. und Richter am Supreme Court. Will Marx, Kapitän des Squash-Teams, und nirgends ein Pickel zu sehen. Willy Marx, Pitcher bei den New York Yankees. Billy Marx, rebellischer Regisseur von Indie-Filmen, Gewinner der Goldenen Palme von Cannes. Dr. William A. Marx, dem die Welt das Heilmittel für Aids oder Krebs, vielleicht auch für beides, verdankt. Präsident William Alexander Marx, der erste Jude im Weißen Haus.
Manchmal wanderten meine Gedanken auch schon zu William Alexanders zukünftigem Bruder: Daniel James.
Die beiden würden die Marx Brothers sein, genauso boshaft und großartig wie ihre Namensvettern, nur außerdem umwerfend gutaussehend. Aber ein Leben mit einem Männer-Trio – wie würdedas aussehen? Wie wechselte man einem Jungen die Windeln, ohne von einem Pipistrahl ins Auge getroffen zu werden? Würden so ein kleines männliches Wesen und ich überhaupt ein gemeinsames Gesprächsthema finden? Was, wenn er zu einem dieser ständig herumzappelnden Kinder wurde, die schon vor der ersten anständigen Mahlzeit des Tages Ritalin einwarfen? Einige Wochen lang fühlte ich mich außerstande, auch nur die Mutter eines einzigen Sohnes zu sein. Doch ich erwärmte mich schließlich für die Idee, als mir einfiel, dass er sich dann genauso aufmerksam um mich kümmern würde wie Barry um Kitty – der rief seine Mutter mindestens einmal am Tag an.
Ich sehnte das Ende meiner Schwangerschaft nicht herbei. Es war eine Zeit der Zufriedenheit, wie ich sie mir vorher gar nicht vorstellen konnte, geschweige denn erlebt hatte. An diesem Abend sang ich ›I’m a Woman‹ vor mich hin, während ich unser Essen kochte, die Pasta in eine große weiße Schüssel füllte und mit noch ein bisschen mehr Käse bestreute. Ich sah förmlich, wie das Kalzium direkt in die winzigen, zarten Knochen meines Babys gespült wurde und sie hart wie Diamanten machte.
Sicher, es hatte Anfälle von Morgenübelkeit gegeben. Ich hatte Taxitüren aufgerissen, um mein Frühstück gerade noch rechtzeitig in einen Gully zu entsorgen – unter den vernichtenden Blicken meiner lieben New Yorker Mitbürger. Zweimal träumte ich, mein Baby wäre ein Kind Satans, mit durchscheinender Haut und stechenden, eiskalten Augen. Und ich wurde empfindlich, was Gerüche betraf. Barry hätte mit seiner Mundhygiene einen nationalen Ausscheidungswettbewerb gewinnen können, doch sein Atem in der Nacht brachte mich zum Würgen. Nun ja, all das war eben Teil des großartigen Erlebnisses »Schwangerschaft«, in dessen Verlauf ich auch lernte, freundlich zu lächeln, wenn Fremde mir den Bauch tätschelten und fragten, ob es denn ein Junge oder ein Mädchen werden würde.
Ich wusste es nicht. Die Geheimnisse der Schwangerschaft waren ein Teil ihrer Macht.
An diesem Samstagabend zogen Barry und ich das Abendessen in die Länge. Der Rote-Rüben-Salat war würzig, das Weizenbaguette kross, die Pasta ein Gaumengenuss und das Kerzenlicht schmeichelnd.
»Dessert?«, fragte ich Barry. »Ich habe die Zitronentarte gekauft, die du so gern
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