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Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Titel: Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Koslow
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magst.«
    »Nur ein kleines Stück«, sagte er. »Du wirst nach der Geburt ja schlagartig an Gewicht verlieren, aber ich muss mich dann immer noch mit meinen Pfunden herumschlagen.« Ich hatte ein Zehnfaches an Kilos zugelegt im Vergleich zu ihm, aber wenn man ihn so reden hörte, konnte man meinen, bei ihm sei krankhafte Fettsucht diagnostiziert worden.
    Ich trug das Geschirr in die Küche und räumte es in die Spülmaschine, ehe ich die Tarte aufschnitt, die ich auf meiner Lieblingskuchenplatte angerichtet hatte, einer schweren türkisfarbenen Kreation aus Kristallglas mit spiralförmigen Einschlüssen, die irgendwie an Spermien erinnerten. Wenn der Silvesterabend eine Glasplatte wäre, würde er genau so aussehen. Ich rieb gerade die große hölzerne Salatschüssel trocken, als ich hörte, wie Barry auf dem Handy ein Telefonat annahm.
    Es war nicht ungewöhnlich, dass er zu jeder Tages- und Nachtzeit angerufen wurde, vor allem am Samstag, denn der Freitag war beliebt als Operationstermin. Jede Patientin glaubte, sie wäre die Glückliche, die ohne Schwellungen und Blutergüsse wie bei einem besiegten Preisboxer davonkommen würde. Und wenn sie nur einen Freitagstermin ergatterte, könnte sie am Montag schon wieder im Büro sitzen, ohne dass ihre Kollegen etwas merkten, selbst wenn Barry ihre Nase runderneuert hatte.
    »Nicht jetzt«, sagte Barry ins Handy.
    Mein Ehemann sprach nicht in seinem beruhigenden Dr.- Barry-Marx-Tonfall . Ich hätte das Gespräch wahrscheinlich nicht mal registriert, wenn er nicht irgendwie beunruhigt geklungen hätte. »Ich rufe dich morgen an.« Er betonte jedes einzelne Wort.
» Versprochen. «
    Es war die Art, wie er dieses »Versprochen« flüsterte, die ihn verriet.
    Das Kuchenmesser in meiner Hand schwebte über der Glasplatte, als sich mir innerlich alles umdrehte. Ich hatte mir eingeredet, dass Barry zum treuen Ehemann mutiert wäre. Erst am Tag zuvor hatte ich beim gemeinsamen Einkauf von Babysachen zu Brie gesagt: »Ich glaube, mein Leopard hat sein Fell gewechselt. Es ist, als müsste ich ihn geradezu daran erinnern, dass wir ja schon verheiratet sind.«
    »Soll das heißen, dass er treu geworden ist?«, fragte Brie und legte den süßen grünen Strampelanzug sofort wieder weg, als sie den Preis für das winzige Teil sah, dessen Stoff nicht mal für ein Geschirrhandtuch gereicht hätte. Ich ließ mir die Frage durch den Kopf gehen.
    »Ich glaube, ja«, sagte ich, zweimal. Und beim zweiten Mal sogar laut.
    »Gut so«, erwiderte sie und drückte meine Hand.
    Ich hatte mich Brie immer anvertraut, wenn ich Barry irgendwelcher Flirts verdächtigte. Meist waren es bloß Vermutungen, für die ich keine Beweise hatte, doch etwa alle halbe Jahre oder so beschlich mich das untrügliche Gefühl, betrogen zu werden, und ich erzählte ihr davon. Brie sagte jedes Mal, diese Verdächtigungen seien doch paranoid und ich würde meine Ehe noch selbst kaputtmachen, falls ich weiterhin so furchtbar unsicher sei. Und hatte sie mich erst mal derart gemaßregelt, war ich gleich viel entspannter und konnte mich wieder auf mein angenehmes, überschaubares Leben konzentrieren: Arbeit, Zuhause, Familie, Freunde und, neuerdings, Baby Marx.
    Etwa alle drei bis sechs Monate durchlebte ich denselben Kreislauf – ich grübelte, lamentierte und beruhigte mich schließlich wieder. Und kein einziges Mal stellte ich Barry zur Rede. Doch an diesem Samstagabend dröhnte dieses »Versprochen« in meinen Ohren, und als Barry mit der leeren Flasche Pinot Noir in die Küche kam, muss mir die schiere Panik im Gesicht gestanden haben.
    »Molly, was ist los?«, fragte er. »Spürst du etwas?« Seine Stimme klang kein bisschen weniger besorgt als drei Minuten zuvor.
    »Oh, ja, ich spüre etwas«, erwiderte ich. Wut. Groll. Den Wunsch, mit einem Gewehr draufloszuschießen.
    »Sag mir, was dir fehlt.«
    »Was mir fehlt?«, wiederholte ich. »Herr Doktor, warum sagen
Sie
mir das nicht?«
    »Wie bitte?« In seiner Miene begann sich Verärgerung und Misstrauen abzuzeichnen.
    »Wer ist sie?«, stieß ich wütend hervor. »Oder soll ich lieber sagen: Wer ist es
diesmal? «
    »Also«, erwiderte er, »du weißt wirklich, wie man eine Szene macht, was? Ich habe keine Ahnung, was du meinst, mal abgesehen davon, dass du uns gerade einen wunderschönen Abend verdirbst.«
    » Ich
verderbe den Abend?«, zischte ich. Barry wusste mich zu nehmen, wenn ich launisch, gereizt, traurig oder besorgt war. Nur mit einem kam er überhaupt nicht

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