Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben
war.«
Aha, Model,
denkt Hicks, nicht wirklich überrascht. »Und in welcher Beziehung stand Mr. Delaney zu Mrs. Marx?«, fragt er.
»Sie waren Arbeitskollegen. Er ist Fotograf.«
»Das ist alles, was Sie dazu zu sagen haben?«, hakt der Detective nach.
Brie gelingt es, ihren für den Gerichtssaal reservierten Gesichtsausdruck aufzusetzen. »Das ist alles, was ich weiß.«
Hicks steht auf und schüttelt Brie die Hand. Ich bin ziemlich sicher, dass er sie einen Augenblick länger als nötig festhält, kann es aber nicht beschwören, weil die Erwähnung von Luke, an den zu denken ich mich bislang geweigert habe, mich völlig aus der Bahn wirft.
»Sollten Sie sich noch an irgendetwas erinnern, hier ist meine Karte«, sagt der Detective. Er hat einen sachlichen Ton angeschlagen, der in Richtung Herzlichkeit tendiert, drückt Brie eine Visitenkarte in die Hand und geht zur Tür. Von hinten sieht er vielleicht sogar noch besser aus.
Als er weg ist, geht Brie zu einem Schreibtisch und legt die Karte in eine schmale leere Schublade rechts. Hiawatha Hicks, liest sie, spricht den Namen laut aus. »Hiawatha?« Plötzlich erfüllt ein Lachen das Loft, das mir ganz und gar vertraut ist. Und auch wenn ich mich jetzt an einem ganz anderen Ort befinde, lachen wir noch einmal gemeinsam aus vollem Herzen.
16
Verderbtheiten
»Barry?«, sagt Lucy. »Ich habe dich hoffentlich nicht geweckt.« In Wahrheit würde Lucy ihn am liebsten als blutsaugende, sensenschwingende Vampirin in seinen Träumen heimsuchen. Außerdem ist es Sonntagmorgen, und sollte er um neun Uhr noch nicht aufgestanden sein, wird meine Schwester das unverzüglich in ihre lange Liste der schlimmsten Verfehlungen des Dr. Barry Marx aufnehmen.
»Wer ist da bitte?«, fragt Barry kurzatmig, was mich nicht überrascht, denn er ist, obwohl es in Strömen regnet, gerade erst vom Laufen zurückgekommen. Mit Baseballkappe und Regenjacke steht er da und tropft unseren Küchenfußboden voll. Barry weiß, dass es Lucy ist – unsere Stimmen waren das Einzige an uns, was man verwechseln konnte. Und er dürfte wohl kaum erwarten, dass ich ihn vom Grab aus anrufe und ihn daran erinnere, die richtige Sorte Joghurt (Bio, zwei Prozent Fett) einzukaufen – etwas, das
er
von jedem Ort aus immer wieder fertiggebracht hat.
»Deine Lieblingsschwägerin«, verkündet Lucy.
Barry schweigt einen Augenblick, während ihm
die Zicke mit den großen Titten
durch den Kopf schießt. »Guten Morgen, Lucy«, sagt er. »Wie komme ich denn zu dieser Ehre?« Er klingt gelassen, freundlich, wie es sich für einen gut bezahlten Chirurgen gehört. Kurz nach unserer Hochzeit hat er ein paar Monate lang Sprechunterricht genommen, um seinen harten NewYorker Akzent etwas zu mildern. Es war meine Idee.
Du magst mich nicht, und ich mag dich nicht, aber egal,
denkt Lucy. »Ich will die Organisation für Pessach besprechen«, stößt sie hervor. »Ich fliege nach New York, hole Annabel ab und bringe sie nach Chicago. Ich habe selbst Schulferien, daher macht es keine Umstände, und ich kann die ganze Woche mit ihr verbringen.«
»Sprich weiter.«
»Meine Eltern fliegen mit ihr zurück«, fährt Lucy ermutigt fort. »Wir haben schon viele Pläne für Chicago – das Field-Naturkundemuseum, der American Girl Place, die beiden Sederabende natürlich. Und Matzebrei am ersten Pessachmorgen – eine Divine-Tradition.«
»Mhm.«
»Kann ich das als ein Ja auffassen?« Lucy bemüht sich, das Gespräch locker zu halten, doch auf den Notizblock vor sich malt sie lauter Kreise, die schwer und düster sind vor Sorge.
»Lucy, daraus wird nichts«, sagt Barry. »Dein Dad hat schon mal so etwas angedeutet, aber Annabels Therapeut glaubt, dass es noch zu früh ist für eine solche Reise.«
»Annabels Therapeut?«, fragen Lucy und ich gleichzeitig. Meine Tochter hat einen Kinderarzt, einen Zahnarzt und eine Kindergärtnerin. Seit wann hat sie einen Therapeuten?
»Ich habe mich mehrere Male mit einer Koryphäe auf dem Gebiet von Trauer und Depressionen bei Kindern beraten«, erklärt Barry.
»Ach, wirklich?«, versetzt Lucy. »Und wie heißt die Koryphäe?«
»Joseph«, sagt Barry.
»Joseph, und weiter?«, fragt Lucy. Sie sitzt vor dem Computer meiner Eltern, der in der Küche steht, und hat Google bereits aufgerufen.
»Joseph ist der Nachname.«
»Und wie heißt er mit Vornamen?«, fragt Lucy schroff.
»Ist das wichtig?«
»Ich habe dir eine ganz normale Frage gestellt.«
»Okay«, sagt Barry.
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