Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben
bestellt.
An den kommenden drei Tagen schuftete ich wie ein Wanderarbeiter. Ich stand um sechs Uhr auf und war erst dreizehn Stunden später fertig. Packte aus. Packte ein. Schob die Ottomane weg. Schob sie wieder hin. Richtete ein Tablett für imaginäre Gäste her. Holte ein anderes Tablett und machte es noch mal, einmal mit Früchten, einmal ohne. Rollte den handgewebten Wollteppich aus. Entschied, dass der besser in eine englische Pension passen würde. Rollte ihn wieder zusammen. Rannte siebenundvierzigmal treppauf und treppab. Machte das Bett. Wischte den Boden. Entfernte Flecken von den Marmorflächen in der Küche. Widerstand dem Impuls, diese luftige Behausung in eine mit lauter Firlefanz vom Flohmarkt vollgestopfte Pariser Wohnung zu verwandeln.
»Wunderschön, wunderschön«, rief der gutmütige Eric bei jedem Set. Er arbeitete genauso hart wie ich und weigerte sich nie, ein Sofa so lange in einem Zimmer herumzuschieben, bis ich wusste, wo es stehen musste.
»Toll, Mädel«, sagte Jasper, der Yale-Absolvent, immer wieder. Eine Phrase, die wirklich verboten gehört, erst recht aus dem Mund eines Amerikaners aus dem tiefsten Tennessee, der versucht, einen britischen Akzent zu kultivieren. Am liebsten hätte ich ihm mit einem leinenen englischen Kissenbezug das Maul gestopft.
Das schönste Lob kam von Luke. »Ich glaube, das hier wird großartig«, sagte er jedes Mal, ehe er abdrückte. Und danach jedes Mal: »Ich hab’s doch gesagt, Molly. Perfekt. Einfach perfekt.«
Jasper machte Polaroids von jedem Set und klebte sie in einen Hefter, so dass wir alle um zwei Uhr des dritten Tages sehen konnten, dass sich unsere Mühen wahrlich gelohnt hatten.
»Wie wollen wir das feiern?«, fragte Luke, nachdem wir alles zusammengepackt hatten und im Geländewagen nach Healdsburg zurückfuhren. Die Frage war an uns alle gerichtet, doch er sah mich an, ich saß neben ihm auf der Rückbank.
»Ich würde vorschlagen, wir nehmen gleich dieses Weingut da drüben und probieren von Sonomas besten Tropfen, bis wir blau sind«, sagte Eric. »Seht ihr das Schild?«
»Toll, Mädel«, sagte Jasper zu Eric. Wir alle wussten, dass Eric schwul war, aber Jasper musste natürlich darauf herumreiten. Er wurde mir immer unsympathischer.
»Der Fahrer entscheidet, wo’s langgeht«, bestimmte Luke und verdrehte die Augen hinter Jaspers Rücken. Und da Eric am Steuer saß, bog er von der Dry Creek Road ab und fuhr auf das Weingut Ferrari-Carano.
Einige der Weingüter, die wir gesehen hatten, waren kaum mehr als Bretterbuden gewesen, doch hier hatten wir einen Volltreffer gelandet. Am Ende der Auffahrt stand inmitten eines gepflegten französischen Gartens ein großes, hellrosé angestrichenes Haus im Stil einer italienischen Renaissancevilla, mit Bogengängen, Galerien und einem Springbrunnen davor. Wenn ich jetzt so daran zurückdenke, erinnert es mich ein wenig an meine Ewigkeit hier, vor allem wenn Puccini-Klänge durch die Lüfte wehen.
»Heilige Scheiße«, rief Eric, als wir den Schankraum zur Weinverkostungbetraten. Dort war es fast leer, bis auf Hunderte von schimmernden Weinflaschen, die man kaufen konnte. Hinter einem polierten Holztresen stand ein Mann mit weißer Schürze und begrüßte uns. Keine Ahnung, ob er einen Barolo von einem Chianti unterscheiden konnte, doch mir gefiel sein schulterlanges, graumeliertes Haar, das zum Pferdeschwanz zurückgebunden war. »Möchten Sie vielleicht ein Glas von unserem Syrah probieren?«, fragte er.
Und ob wir wollten. Und auch vom Zinfandel, vom Trésor, von den beiden Eldorados – dem Noir und dem Gold –, vom Fumé Blanc und, wenn schon, denn schon, auch vom Cabernet Sauvignon. Wir alle vier kosteten und urteilten mit immer verstiegeneren Beschreibungen. Waren wir anfangs noch bei »fruchtig« oder »er dig «, so steigerten wir uns schamlos bis hin zu »würzig mit einer leichten Note von Anis, Beeren und Tabak«.
Nach drei Stunden beschlossen Eric und Jasper, in die Stadt zurückzukehren. Dass ich, eine leibhaftige Mutter, den beiden erlaubt habe, sich hinters Steuer zu setzen, dafür schäme ich mich jetzt noch – es zeigt, wie betrunken ich schon war. »Macht euch keine Sorgen«, sagte Luke zu ihnen, »wir kommen schon nach Hause.« Der Besitzer des Weinguts gab uns nur zu gern die Nummer eines Taxiunternehmens. Je länger wir blieben, desto besser fiel sein Geschäft aus.
Irgendwann hatten Luke und ich praktisch jeden Wein des Weinguts probiert. Ich wollte mir eine
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