Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Titel: Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Koslow
Vom Netzwerk:
rief ich hinauf zu ihm. Doch ich wusste, dass Luke und ich hier atemberaubende Fotos machen konnten, und langsam erfasste auch mich die Aufregung.
    Vor ein paar Stunden hatte Luke mich vom Flughafen Oakland abgeholt. Er hatte vorher am Küstenstreifen Big Sur zu tun gehabt. Auf der Fahrt Richtung Norden hatte seine Stimme geradezu kindlich begeistert geklungen. »Da spielen Seehunde Fangen! Schau dir diese Wellen an!« Ins Hotel hatten wir noch nicht eingecheckt. Luke war zu versessen darauf gewesen, das Haus zu sehen, in dem wir ab morgen Fotos machen wollten. Und so waren wir zuerst diese steile Anhöhe hinaufgefahren. Die Luft hier oben war klar und trocken.
    Zu sagen, dass ich übermäßige Vorbereitungen für meinen ersten Job seit einem Jahr getroffen hatte, wäre noch milde ausgedrückt. Drei Wochen lang hatte ich Tag und Nacht über den Details gebrütet und so viel Zeit hineingesteckt, dass ich mein Honorar gar nicht dagegenrechnen durfte; es wäre lukrativer gewesen, leere Pfandflaschen von der Straße zu sammeln und im nächsten Supermarkt zu Geld zu machen. Aber ich wollte Luke Delaney, meinen anspruchsvollen neuen Boss, auf keinen Fall enttäuschen. Ich tüftelte und spielte mit Ideen herum, damit bloß nicht auffiel, dass dieses Haus überhaupt nicht meinem Geschmack entsprach. Ich bin eben doch das Kind einer heimlichen Liebesaffäre zwischen Marie Antoinette und Charles Dickens.
    »Was hältst du von den Kunstwerken?«, fragte Luke, als wir bei heruntergeklapptem Verdeck wieder in unserem gemieteten Cabrio saßen und die Anhöhe hinunterfuhren. Hätte Barry am Steuer gesessen, hätte ich geschimpft, dass mein Haar bei diesem Fahrtwind zu einer Marge-Simpson-Frisur mutieren würde. Doch stattdessen tat ich, als würde ich es genießen, dass sich heißer roter Staub in meine Kopfhaut fraß. Ich war mir auch ziemlich sicher, dass ich nicht allzu frisch roch. Wir hatten 35   Grad im Schatten, und sobald man einen Schritt nach draußen tat, legte sich die Hitze über einen wie eine Navajo-Decke, die gerade von einem Maulesel gerutscht war.
    Die einzige zeitgenössische Kunst, von der ich irgendeine Ahnung hatte, hing an Museumswänden, und das meiste, was ich aufder letzten Whitney Biennial zu sehen bekam, hatte bei mir den Eindruck verfestigt, dass die Maler bloß noch ihre Neurosen auf die Leinwand pinselten. »Das große blaue sah ein bisschen aus wie Moby Dick.«
    »Du meinst den Julian Schnabel?«, sagte Luke.
    Zeit, das Thema zu wechseln. Ich zog einen Stapel Restaurantkritiken aus meiner Strohtasche. »Hast du keinen Hunger? Ich habe mal ein paar Sachen herausgesucht.«
    »Ich habe immer Hunger, wenn es auf Rechnung des Kunden geht«, sagte er. »Deshalb habe ich auch schon vor zwei Wochen für uns reserviert.« Und er sprach von Weinen, Foie gras und Basilikumeis.
    »Klasse – ich sterbe vor Hunger. In New York ist es schon spät.« Erst fünf nach halb acht, um ehrlich zu sein, aber ich wollte unbedingt auf mein Hotelzimmer und zu Hause anrufen. Vor Luke wollte ich nicht mit Annabel telefonieren, weil ich dabei bestimmt unerträglich gurrte. »Kommen Eric und Jasper rechtzeitig an, um mit uns zu essen?«, fragte ich. Das waren unsere beiden Assistenten für das Shooting.
    Luke sah auf die Armbanduhr. »Sie müssten schon da sein.« Ich war erleichtert. Anstandswauwaus, selbst wenn sie erst dreiundzwanzig waren, würden dem Ganzen einen kameradschaftlicheren Touch verleihen.
    Wir fuhren in eine Stadt, die um einen begrünten Marktplatz herumgebaut war. Healdsburg hatte eine Reihe von Weinhandlungen, teuren Boutiquen, Restaurants und Hotels, und unseres sollte das hipste von allen sein. Während Luke prüfte, ob auch wirklich jedes Teil seiner Fotoausrüstung eingetroffen war, checkte ich ein und stürzte mich aufs Telefon, sobald ich in meinem Zimmer war.
    »Delfina, ich bin’s noch mal«, sagte ich bei meinem siebten Anruf des Tages. »Wie geht es Annabel?«
    »Der geht’s prima, Ma’am«, erwiderte Delfina. »Sie hat Tofu zum Abendbrot gegessen.« Mein Baby war ein kleiner vegetarischerDrache. »Dann vergnügt gebadet, und jetzt schläft sie tief und fest.«
    Ach, schade. Ich hatte gehofft, Delfina würde Annabel den Hörer ans Ohr halten, so dass wir eins unserer einseitigen Gespräche führen und ich sie wenigstens quietschen hören könnte. »Wun derbar , Delfina.« Ich seufzte. »Ganz wunderbar. Und nicht vergessen, bitte nennen Sie mich Molly.«
    »Molly«, wiederholte sie. »Tu ich,

Weitere Kostenlose Bücher