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Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Titel: Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Koslow
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Molly. Jetzt gute Nacht, Mrs.   Marx. Bis morgen.«
    Mein Zimmer kostete mehrere hundert Dollar pro Nacht – das Hotel war berühmt für sein erstklassiges Design, was bedeutete, dass ich nicht eine Kommode oder einen Kleiderschrank für meine Sachen hatte, abgesehen von einem handtuchschmalen, halb von einer dünnen Gardine verdeckten Wandschrank. Und so stapelten sich, während ich meinen Koffer auspackte, schon bald auf jeder der todschicken, makellosen Flächen Kleidungsstücke, bis es aussah wie beim Ausverkauf einer kleinen Boutique. Dann ging ich in das riesige Badezimmer und unter die Dusche. Warmes Wasser prasselte auf mich herab, und sandige Rinnsale liefen in den Abfluss. Ich wusch mein Haar mit Aloe-Vera-Shampoo, spülte es mit einem Lindenblütenbalsam und stand minutenlang einfach nur da. Tropfend und erfrischt lief ich quer durchs Bad, um mir den weißen Frotteebademantel vom einzigen, höchst ungünstig angebrachten Haken zu schnappen.
    Dabei erhaschte ich einen Blick auf mich selbst in dem mannshohen Spiegel – und erstarrte. Wer war diese kleine, eindeutig birnenförmige Frau und was tat sie hier? Ich war dreitausend Meilen und drei Zeitzonen entfernt von dort, wo ich hingehörte, und hatte einen sich anbahnenden Flirt vor mir. Doch alle parfümierten Shampoos und aller Kaviar der Welt, das erkannte ich plötzlich, konnten nicht verhindern, dass ich Heimweh hatte. Ich vermisste mein Kind und, zu meiner eigenen Überraschung, auch meinen Mann. Ich war doch völlig verrückt, dass ich diese Reise angetreten hatte.
    Ich sollte in New York sein, Digitalfotos von Annabel machen und an etwa fünfzig Freunde und Verwandte schicken, von denen einige die E-Mail gleich ungeöffnet löschen würden. Ich sollte neue Kinderbücher kaufen und mich nach Kursen umsehen, die Annabels Potential fördern würden, und jeden Moment dieser einmaligen Mutter-Kind-Beziehung in mich aufsaugen.
    Zur großen Verwunderung der Frau, die ich gewesen war, hatten Barry, Annabel und ich zu Hause ein behagliches Familienleben entwickelt. Barry war ein wenig häuslicher geworden, und wann immer das Wetter es erlaubte, verbrachten wir Stunden auf dem Spielplatz, wo sich viele junge Elternpaare einfanden, Becher mit dampfendem Kaffee in der Hand und erpicht darauf, mit anderen zu reden, die sich ebenfalls an diesem befremdlichen Abgrund namens Elternschaft entlanghangelten. Wenn er morgens vom Laufen kam, wechselte oft Barry Annabels Windel und machte ihr Frühstück. Manchmal sah ich ihn sogar mit Annabel im Arm durch die Küche tanzen, und jedes Mal machte mein Herz vor Freude einen Satz.
    Abends, wenn unser Kind schlief, machte ich uns meine Version eines fettarmen, selbstgekochten Abendessens, und noch beim Essen plauderten Barry und ich über Annabel, die ganz eindeutig das klügste und charmanteste Baby der Welt war. Jeden Samstag zahlten wir Delfina eine unerhörte Summe, damit sie über Nacht blieb und wir einmal ausgehen konnten, selbst wenn wir nur zum Thai um die Ecke essen gingen.
    Es war kein glamouröses Manhattan-Leben, es wäre nicht mal in Sioux Falls glamourös gewesen. Aber es war behaglich – und das war das letzte Wort, das auf meine momentane Lage zutraf. Ich saß in einem überklimatisierten, überdesignten Hotelzimmer, müde von der Reise, und würde die nächsten vier Stunden in einem überkandidelten Sterne-Restaurant festsitzen und witzige Konversation mit Luke und zwei Absolventen von Columbia und Yale machen müssen. Ich griff zum Telefon. »Hey, Luke«, ich versuchte, aufgeräumt wie einer der Jungs zu klingen. »Halt mich bittenicht für eine undankbare Zicke, aber ich glaube, für mich ist heute Abend der Zimmerservice genau das Richtige.«
    »Das verstehe ich vollkommen«, sagte er, etwas zu rasch. »War ja klar, dass du erledigt bist.«
    Hatte ich etwa so grässlich ausgesehen?
    »Ruh dich aus«, fügte er hinzu. »Wir sehen uns dann morgen. Um halb acht?«
    Ich dankte ihm, legte auf und wartete auf ein Gefühl der Erleichterung. Doch stattdessen packte mich die Eitelkeit. Auf einmal fühlte ich mich wie das Mauerblümchen, das keiner haben wollte.
    Ich lief zweimal durchs Zimmer, schaltete den Fernseher ein und aus, rief Barry an und besprach mit ihm, ob wir einen Müllhäcksler anschaffen sollten, schlang meinen vegetarischen Bauernsalat mit sieben Bissen herunter und schlief bei einem Johnny-Depp-Film ein. Ich war in der Weinhauptstadt Nordamerikas und hatte nicht mal ein einziges Glas

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