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Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Titel: Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Koslow
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angekommen. Die Zeremonie ist kurz gehalten, aber dennoch unerträglich. Annabel versteckt ihr Gesicht an Barrys Hüfte. Lucy und meine Eltern – die plötzlich zehn Jahre älter aussehen als zweiundsechzig – lehnen sich aneinanderwie kraftlose Pflanzen, deren Wurzeln zusammengewachsen sind, um Halt zu finden. Den Totengräbern gelingt es nur unter Schwierigkeiten, meinen Sarg mittig auszurichten, und ich selbst im Sarg habe auch meine liebe Mühe damit. Wie beim Versuch, bei einer Yogaübung das Gleichgewicht zu halten, konzentriere ich mich auf einen bestimmten Punkt, auf eine schmutzige Granitbank in der Nähe, und frage mich, ob Barry und Annabel je hierherkommen und sich dort hinsetzen werden, um mit mir zu reden. Oder wird Barry allein kommen? Wird er sich entschuldigen – oder einen Grund zur Klage finden?
    Gebete werden gesprochen, sowohl auf Hebräisch als auch auf Englisch. Und dann höre ich es, das dumpfe Geräusch. Wie eine Bombe knallt eine Schaufel voll Erde auf den Sargdeckel. Barry, das unerreichte Vorbild aller Achtunddreißigjährigen im Fitnessclub, donnert die Erde mit geradezu sportlichem Ehrgeiz ins Grab. Meine Eltern sind die Nächsten. In etwa halbminütigem Abstand spüre ich Erschütterungen. Lucy führt Annabel ans Grab, umfasst mit ihren bloßen, rauen Händen die kleinen, in lila Fäustlingen steckenden meiner Tochter, und gemeinsam streuen sie eine Handvoll steiniger New-Jersey-Erde hinein, die über meiner linken Schulter landet – übrigens diejenige, die nicht gebrochen war. Brie und Isadora nähern sich dem Sarg, schlingen einander die Arme um die schmalen Taillen und tun das Gleiche. Kitty steht mit gesenktem Kopf nur reglos da. Einige der anderen Trauergäste in der Reihe treten zögernd ans Grab und werfen ebenfalls eine Schaufel Erde hinein. Doch mit den Riten meiner Religion sind sie nicht so richtig vertraut. Sie wirken erschrocken, als plötzlich wie aufs Stichwort alle Familienmitglieder anfangen zu schluchzen, zehn Sekunden nachdem das Kaddisch angestimmt wurde.
Jitgadal vejitkadasch sch ’mei rabah   …
Die fremden und doch vertrauten Worte des endgültigen Abschieds gehen mir durch und durch. Dieser religiöse Schlusspunkt ist ganz allein für mich bestimmt, Molly Divine Marx.
    … aleinu, ve al kol jisroel v ’imru.
Und dann ist das Kaddisch zu Ende.
Amein.
Barry taucht wieder am Grab auf und schaufelt mit Unterstützung der gutgebauten Friedhofsangestellten Erde auf meinen Sarg, bis er ganz bedeckt ist. Über einen Mangel an Privatsphäre werde ich mich nie wieder beschweren müssen.
    »Ich bin am Verhungern«, höre ich jemanden sagen, und das sind auch in der Übersetzung garantiert nicht die letzten Worte des Kaddisch.
    »Es gibt einen Leichenschmaus bei Molly und Barry.« Eine Stimme wiederholt noch einmal unsere Adresse.
    »Essen von Zabars’?«
    »Nein, von Barney Greengrass.«
    »Noch besser. Sehen wir uns dort?«
    Die Trauergäste zerstreuen sich und lassen mich zurück. Wie viele von ihnen werden wohl auf dem Weg zurück nach Manhattan an der Route 4 noch ein wenig shoppen gehen?

4
Ein Meer von Räucherlachs
    Barry und ich sind vor vier Jahren in unsere neue Wohnung eingezogen, als ich im siebten Monat schwanger war mit Annabel. Bis dahin hatten wir in einem puppenstubengroßen Zwei-Zimmer-Apartment in der Jane Street gewohnt, das ich in dem Jahr vor unserer Verlobung gefunden hatte. Es lag in einem der für New York typischen Brownstone-Häuser und ging nach hinten auf den Garten des Besitzers hinaus. Von unserem Küchenfenster aus konnte man sehen, wie im April der Apfelbaum blühte und wie im Herbst die Eichhörnchen am Nussbaum ihre Vorräte sammelten. Morgens war ich meist spät dran – Organisation war nie meine Stärke   –, doch hin und wieder nahm ich mir vor der Arbeit die Zeit für ein Scone mit bitterer Orangenmarmelade, trank dazueine Tasse Earl Grey und stellte mir vor, ich würde in London leben.
    Mir hätte es vollkommen gereicht, in unserem gemütlichen kleinen Nest zu bleiben, das Babybett hätte prima neben unserem Bett Platz gehabt. Doch Kitty bestand darauf, dass es sich »un vorteilhaft « auf Barrys Praxis auswirken würde, wenn potentielle Patientinnen glaubten, wir könnten uns nichts Größeres leisten. So etwas würde sich herumsprechen – Hintergrundrecherche zur plastischen Chirurgie. Weder Barry noch mich zog es an den Stadtrand, und größere Wohnungen waren im Greenwich Village schwer zu finden. Kitty – die uns

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