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Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben

Titel: Ich, Molly Marx, Kuerzlich Verstorben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Koslow
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froh, dass Brie diesen Nachruf hält, denn Brie,die sich erst kürzlich als Lesbe geoutet hat, gehört ganz sicher nicht zu jenen meiner Freundinnen, die Barrys Charme erlegen sind. Als wir uns im Studium ein Zimmer teilten, war sie definitiv noch nicht lesbisch. Doch letztes Jahr hat sie Isadora kennengelernt, eine hinreißende chilenische Architektin, die schließlich selbst mit in das Loft eingezogen ist, das sie für Brie entworfen hat. Isadora küsst Brie zärtlich auf den Mund, ehe Brie nach vorn geht.
    Ich war immer stolz, Bries Freundin zu sein. Wir beide waren ein ziemlich schräges Paar, wenn man bedenkt, dass sie 1,85   Meter groß ist – sie hat als Model gearbeitet, ehe sie Anwältin wurde – und ich es auf knapp 1,60   Meter brachte. Heute ist ihr glänzend braunes Haar zu einem strengen Zopf zurückgeflochten, und sie trägt einen rabenschwarzen Hosenanzug über einer frisch gestärkten weißen Bluse. Alles an Brie hat scharfe Kanten, nur ihr Herz nicht.
    Brie ist stolz darauf, unter uns Freundinnen die Erste zu sein, die es mit gleichgeschlechtlichem Sex probiert hat. Ich bin froh, dass sie Isadora gefunden hat, aber ich würde mein Leben – wenn ich noch eins hätte – nicht darauf verwetten, dass Brie sich für immer aus dem Hetero-Lager verabschiedet hat. Ich kann irgendwie nicht glauben, dass eine Frau, die die Männer so sehr geliebt hat wie Brie, sie ganz aufgibt. Mit einer Stimme, die jeden Augenblick zu brechen droht, beginnt sie.
    »Da ist noch Stilleres als Schlaf
    Im Innern dieser Seele hier!
    Es trägt einen Sprössling an seinem Busen –
    Und will doch seinen Namen nicht nennen.
     
    Manche berühren, manche küssen ihn –
    Manche reiben seine leblose Hand –
    Es ist von schlichter Größe
    Die ich nie verstand!«
    Mein Verständnis für Gedichte endet bei e. e. cummings, doch Brie hat immer einen Band Emily Dickinson auf dem Nachttisch liegen. Als sie zur letzten Strophe kommt, schluchzt sie auf.
    »Nachbarn schlichteren Gemüts
    Reden von ›früh Verstorbenen‹ –
    Wir – die zur Umschreibung neigen
    Sagen: Die Vögel sind entflohn!«
    »Molly hat zwar manchmal das Essen vergessen, doch sie hatte mehr Energie als jeder andere, den ich kenne«, sagt Brie. »Immer wollte sie mich zu langen Radtouren mitnehmen. Erst letzten Samstag hat sie mich mit Annabel im Kindersitz abgeholt und darauf bestanden, dass wir zusammen über die Brooklyn Bridge radeln und zu diesem Diner fahren   …« Und dann erzählt sie noch die Geschichte, wie wir uns mal auf einem Wanderweg in den Bergen bei Aspen verlaufen haben. So langsam halten mich die Leute sicher für eine ziemlich dämliche Sportfanatikerin.
    »Wir haben noch eine letzte Rednerin«, sagt der Rabbi. »Eine Vertreterin der Familie Divine   … Lucy. Lucy Divine.«
    Niemand hat uns je für Schwestern gehalten. Wir waren zwar nur zweieiige Zwillinge, doch auch diese Bezeichnung war für uns mehr als unangemessen. Bei unserer Bat-Mizwa überragte Lucy mich um fünfzehn Zentimeter und war ungefähr zwanzig Kilo schwerer als ich. Alle tuschelten, wie schrecklich es für mich sein musste, dass ich noch nicht mal in der Pubertät war, während Lucy schon so einen Busen hatte. Wie sie mich für meinen Minirock gehasst hat! Ich fand sie einfach bloß dick. Neid war das scharfe Chili in unserer Beziehung, und meistens kam er von Lucy. Ich habe geheiratet, während all ihre Beziehungen sich immer irgendwie auflösten – oft weil der Typ auf einen anderen Kontinent zog und keine neue Adresse hinterließ. Ich bekam ein Kind, sie wünscht sich verzweifelt eins. Die Leute verstehen Lucy nichtrichtig. Es war nicht einfach, sie zur Schwester zu haben, aber ich habe sie sehr geliebt.
    »Als Molly und ich fünf waren«, sagt sie, »hat sie mich davon überzeugt, dass Brokkoli ein Tier ist und ein Dussel ein hübsches Mädchen. Und so waren wir also Molly und Dussely.«
    Ihr Timing ist gut. Die Trauergäste lachen. Es tut mir wirklich leid, dass ich ihr diesen Spitznamen angehängt habe. Den ist sie bis zum College nicht losgeworden –
sie
hat es übrigens auf die Brown Universiy geschafft – und meine Eltern hat er sicher an die zwanzigtausend Dollar für Psychotherapien gekostet. Lucy gerät ins Reden, erzählt zu viele Anekdoten aus unserer Highschool-Zeit, starrt vor sich hin. Die Trauergäste fangen an, mit ihren BlackBerrys herumzuspielen. »Eins schwöre ich: Wir werden herausfinden, wer meiner Schwester Molly das angetan hat. Wenn Sie

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