Ich muss dir etwas sagen
Hochzeit
-317-
aufzuschieben. Aber bei dem Versuch, Ihren Wunsch zu
begründen, kritisieren Sie Ihre Verlobte. Für sie klingt es nun so, als habe sie etwas falsch gemacht und als sei das der Grund für den Aufschub. Statt sich also mit dem eigentlichen Thema zu befassen, streiten Sie nun über Verhaltensweisen, die Sie
anscheinend für falsch halten, und sie wird leugnen, daß diese den Tatsachen entsprechen. Und dann geht sie Ihnen und Ihren Verhaltensweisen ans Leder! Wenn Sie nur dieses oder jenes getan hätten, wird Ihre Verlobte sagen, dann wäre es gar nicht erst zu dieser Situation gekommen… Diese Reaktion läßt sich verhindern, indem man seinen Worten nichts hinzufügt, was
auch nur im entferntesten als Kritik gewertet werden könnte.
Trotzdem könnte der andere sich angegriffen fühlen, aber so ist es viel leichter, ihn darauf hinzuweisen, daß man nichts gesagt hat und sagen wollte, was ihm die Schuld zuschiebt: „Ich bin dafür verantwortlich und nicht du.” Das funktioniert natürlich nicht, wenn man auch nur andeutungsweise gesagt hat: „Aber du hast….”
Konfliktscheue Menschen, aufgepaßt!
Konfliktscheue Menschen machen in solch einer Situation
leicht den Fehler, alles zu tun, um bloß nicht in den Bannkreis der Reaktion zu geraten, die sie am meisten fürchten. Befürchten sie, der Betreffende könne sie angreifen, so schweigen sie lieber, als ihn darauf hinzuweisen, daß sie ihn keineswegs
verantwortlich machen: Weshalb auch etwas erwähnen, womit
man ohnehin kaum umgehen kann?
Doch dieser Konflikt wird nicht dadurch ausgelöst, indem man das heikle Thema erwähnt, ebensowenig wie man Sonnenschein herbeiführt, indem man den Schirm zu Hause liegen läßt. Solche Gedanken sind zwar verständlich, aber nicht hilfreich. Jeder gute Verkäufer oder Anwalt weiß: Wer erst einmal ein Problem im Kopf hat, wird es nicht los, indem er nicht darüber redet.
Also spricht man es am besten selber an, das nimmt der Sache
-318-
viel von ihrer zerstörerischen Kraft.
Menschen glauben oft, sie würden verantwortlich gemacht,
ganz gleich wie die Wahrheit lautet. Äußern sie eine Bitte, fühlen sie sich womöglich dafür verantwortlich, Sie in die Position des Bittstellers manövriert zu haben oder dafür, Ihnen den Wunsch nicht erfüllt haben, noch ehe Sie darum baten, oder sie fühlen sich dafür schuldig, die Bitte nicht erfüllen zu können.
Wenn man sich schon so leicht schuldig fühlt, wie sehr erst, wo man kritisiert wird. Als Psychologe mit Erfahrung in
Familien- und Einzeltherapie und als Berater von
Organisationen kommt es mir manchmal wie ein Wunder vor,
daß Kritik überhaupt wahrgenommen wird angesichts der
Empfindlichkeit, die in diesem Bereich anscheinend überall herrscht. Sie glauben vielleicht, Sie sagten nicht mehr als: „Tu dies ein bißchen anders oder das ein bißchen öfter”, doch der Betreffende hört, er sei ein Versager oder gar ein schlechter Mensch.
Es hängt ganz von Ihnen ab: Wenn ausschließlich Ihre
Wahrheit Thema sein soll, müssen Sie verhindern, daß solche Monster ihr häßliches Haupt erheben und die Wahrheit in den Orkus von Schuldgefühlen und Beschuldigungen stürzen.
Lösungsansätze
Es ist enorm hilfreich, zu sagen: „Ich mache dich nicht dafür verantwortlich.” Sagen Sie allerdings nie: „Du bist nicht dafür verantwortlich, aber dein Fehler ist…”, sondern immer: „Dich trifft keinerlei Schuld.” Und loben Sie den anderen
anschließend, und geben Sie ihm Zuversicht. Lob und Hoffnung beugen Schuldgefühlen vor. Überlegen Sie, inwiefern der
Betreffende das Gefühl haben könnte, Sie machen ihn
verantwortlich, und würdigen Sie ihn auf eine Art und Weise, die dem vorbaut. Damit vermitteln Sie Anerkennung und
Zuversicht, eine gute Medizin gegen Schuldgefühle.
-319-
Statt sofort zu sagen, daß Sie die Hochzeit verschieben
möchten, sagen Sie Ihrer Verlobten zunächst, daß Sie sie
wunderbar finden und wie sehr Sie sie schätzen und sich auf das gemeinsame Leben freuen. All das sagen Sie, bevor Sie den
Aufschub erwähnen, und Sie wiederholen es hinterher noch
einmal.
Will man beispielsweise einem Freund oder einer Partnerin
sagen, daß er oder sie Gewicht verlieren sollte (angenommen, es wäre weise, das zu tun), gilt es, den Schuldgefühlen
vorzubeugen, die jeder spürt, den man zu dick nennt - nämlich daß sein Wille zu schwach sei, daß er egoistisch sei, daß er sowieso ziemlich viele Fehler habe und ähnliches
Weitere Kostenlose Bücher