Ich muss dir etwas sagen
High School waren, wo Claire es dank
finanzieller Unterstützung ihrer Eltern wesentlich leichter gehabt hatte als sie, und sie konnte sich endlich eingestehen, wie sehr ihre Beziehung sie dazu gezwungen hatte, diese Sorgen für sich zu behalten. Mir war klar, daß sie Claire dafür bestrafen und leiden lassen wollte und daß Rachegelüste das eigentliche Motiv hinter ihrem Wunsch waren, der Freundin endlich die
Wahrheit zu sagen.
Unlautere Motive können nicht verborgen bleiben
Ich versuchte, Sally klarzumachen, daß, wo Rache das Motiv ist, man nicht auf die Wahrheit, sondern auf Zerstörung setzt.
Aber sie bestand darauf, daß es darum gehe, „endlich
authentisch zu sein”.
Es kann uns zwar gelingen, unlautere Motive vor uns selber zu verstecken, aber es ist weit schwerer, sie vor jenen zu verbergen, die davon betroffen werden. So kam es zu einem Eklat. Als
Claire bewußt wurde, daß Sally sich rächen wollte, erkannte sie ihre ehemals beste Freundin nicht mehr. War Sally wirklich all die Zeit diese wütende Frau gewesen, die jahrelang darauf
gewartet hatte, endlich Rache zu nehmen? Und wie würde sie sich jemals wieder wohl fühlen mit einer Freundin, die jede Äußerung von Hoffnung oder Genuß als Beweis für ihre
Sonderstellung interpretierte?
Der Eklat beendete ohne Not eine Freundschaft, die 25 Jahre gehalten hatte. Sally hätte den Groll über ihre schwierige Kindheit in einer Therapie verarbeiten können. Sie hätte sogar mit Claire über ihre gemeinsame Kindheit sprechen können,
ohne sie dabei zur schuldigen Partei zu stempeln. „Du hast es immer leicht gehabt”, war keine Wahrheit, die unbedingt erzählt werden mußte.
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Diese Geschichte zeigt, daß unlautere Motive ein guter Grund sind, die jeweilige „Wahrheit” nicht auszusprechen. Da es sich bei jedem negativen Gefühl um ein unlauteres Motiv handeln kann, sollten Sie sich immer vergewissern, ob es genügend
konstruktive Gründe gibt, Ihre Wahrheit zu äußern. Und damit meine ich keine abstrakten Gründe. Sie müssen ganz genau
wissen, weshalb und wie Ihre Wahrheit die Dinge zum Besseren wenden soll.
Frage 7: Hat Ihr Gegenüber das Recht, Bescheid zu wissen?
Diese Frage wirft ein interessantes Licht auf Beziehungen. Das läßt sich gut an einem Gleichnis illustrieren: Was und wie Sie sind, jede Wahrheit und jedes Geheimnis ist sozusagen ein
Zimmer in einem Haus. Jedesmal, wenn nun jemand Ihr Haus
betritt - sprich Kontakt zu Ihnen hat -, öffnen Sie bestimmte Türen und schließen andere. Je näher Sie einem Menschen sind, desto mehr Türen öffnen Sie ihm. Allerdings gibt es Türen, die Sie Leuten öffnen, die Ihnen nicht so nahe sind, und die Sie für Ihre Liebsten verschlossen halten.
So reden Frauen, auch wenn sie eine tiefe und ehrliche
Beziehung zum Ehemann haben, nur mit Freundinnen über
bestimmte Dinge, egal ob die Freundschaft eher oberflächlich ist.
Im allgemeinen hat unser Gegenüber ein Recht, über alles
Bescheid zu wissen, was normalerweise zu der Beziehung
gehört ob der Ehepartner oder ein Klient. Um unser Bild zu bemühen: Hat man einem Menschen erst einmal eine bestimmte Tür geöffnet, sollte er jederzeit hindurchgehen können.
Sex zum Beispiel: Wenn ein Paar verheiratet ist, gehört alles rund um das Bett zum gemeinsamen, sexuellen Universum. Was auch immer auf sexueller Ebene geschieht, es geht beide an. Das bedeutet, sie haben beide ein Recht darauf, zu wissen, was sich
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beim anderen auf diesem Gebiet tut. Aus diesem Grund fühlen wir uns fast immer dazu verpflichtet, unserem Partner eine außereheliche Affäre zu gestehen.
Der Partner hat ein Recht darauf, Bescheid zu wissen - und besteht ganz sicher auch auf dieses Recht.
Wenn man seine Vorräte jedoch immer bei dem einem
Unternehmen kauft und nun mit einem anderen über eine
eventuelle Lieferung redet, weil es einen besseren Preis bietet, so hat das alte Unternehmen sicherlich kein Recht darauf, zu erfahren, daß man ein besseres Geschäft machen will. Es geht ums Geschäft, und das Recht des anderen, Bescheid zu wissen, ist hier nicht gegeben, auch dann nicht, wenn man mit dem
ehemaligen Lieferanten ab und zu einen trinken gegangen ist.
Es gilt also zu bedenken, was der Betreffende für uns darstellt.
Wenn man in Pension geht, hat das einzige Kind womöglich ein Recht darauf, über die Finanzen Bescheid zu wissen, da es auch der Erbe ist. Aber das heißt nicht, daß es über das Sexleben der Eltern Bescheid wissen
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