Ich muss dir etwas sagen
halten, aber es ist meistens nicht die beste Alternative, und manchmal - wie in diesem Fall - ist es gar keine.
Sie müssen sich also mit Ihrer Wahrheit befassen und etwas sagen. Aber was? Und wie? Wir wissen alle, wie leicht wir
etwas falsch formulieren und damit eine Bombe zünden: Alles fliegt uns um die Ohren. Mir ist der Fall eines Mannes bekannt, der bis zur allerletzten Minute wartete, bevor er darum bat, die Hochzeit zu verschieben. Die Braut, schon ganz in Weiß, erlitt einen Nervenzusammenbruch. Und ich hörte von einem anderen Fall, wo eine Frau das zwar rechtzeitig, aber derart kampflustig äußerte, daß ihr Verlobter, den sie eigentlich sehr liebte, darauf erwiderte: „Du blöde Kuh; vergessen wir das Ganze einfach.”
Wie man eine unangenehme Wahrheit sagt, ohne
Schwierigkeiten heraufzubeschwören
Aber man kann etwas Schwieriges auch in etwas Leichteres
verwandeln. Das Leben ist kompliziert, unsere Beziehungen
sind es auch, und mit der Wahrheit verhält es sich nicht anders.
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Wenn man Angst hat, braucht man etwas Eindeutiges und
Einfaches, etwas, woran man sich halten kann.
Wie man Verantwortung trägt
Tief im Innern wollen wir alle dasselbe: unsere Wahrheit verantwortungsvoll äußern. Das eint uns in der Aufgabe, an der wir wohl alle arbeiten, nämlich ein Mensch zu sein, der alles sagen kann, was gesagt werden muß, der sich gut fühlt, weil er es sagt, und der Gutes bewirkt, wenn er es sagt. Wir haben die richtigen Ziele, wissen aber nicht, wie sie zu erreichen sind.
Es geht gewissermaßen darum, sich gleichzeitig klug zu
verhalten und moralisch einwandfrei zu verhalten. Dabei muß man teilweise widersprüchliche Pflichten miteinander in
Einklang bringen:
► Aufrichtigkeitkeit: Man ist der Wahrheit als einem fundamentalen, sittlichen Prinzip verpflichtet.
► Eigeninteresse: Man hat die Pflicht, sich selbst und die Menschen zu schützen, die einen brauchen.
► Anteilnahme: Man hat die Pflicht, andere vor Schmerzen und Verletzungen zu bewahren.
► Fairneß: Man hat die Pflicht, anderen die Information zu verschaffen, die sie brauchen, damit sie nicht im dunkeln
tappen.
Es ist wohl vor allem deshalb solch eine Herausforderung, eine schwierige Wahrheit mitzuteilen, weil wir nicht wissen, wie wir all diesen Pflichten auch einmal gerecht werden können.
Gesetzt den Fall, man will eine geheime Verstrickung
enthüllen: Die Pflicht, aufrichtig zu sein, widerspricht der, sich selber zu schützen, wenn die Enthüllung persönliche Probleme
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mit sich bringt.
Angenommen, Sie möchten jemanden kritisieren: Die Pflicht
zur Anteilnahme legt Ihnen vielleicht nahe, den Mund zu halten, aber die Pflicht, fair zu sein, verlockt Sie, die Katze aus dem Sack zu lassen. Diese gegensätzlichen Pflichten machen es so schwer, unangenehme Wahrheiten zu äußern.
All meine Ratschläge basieren auf einem einfachen Prinzip, diese Pflichten in Einklang zu bringen, dem Prinzip
verantwortungsbewußter Aufrichtigkeit:
Manchmal fällt es schwer, gewisse Dinge zu sagen, weil wir damit sowohl bei uns selbst als auch bei unserem Gegenüber Bedürfnisse wecken. Man äußert die Wahrheit dann
verantwortungsvoll und effektiv, wenn man dabei die
Bedürfnisse berücksichtigt, die sie weckt, und sich bemüht, ihnen ein Stück weit zu begegnen.
Anhand dieses Prinzips läßt sich eine schwierige Wahrheit so äußern, daß sie verstanden wird und dem anderen oder der
Beziehung nicht unnötig Schmerz und Schaden zufügt.
Man kann das Prinzip verantwortungsbewußter Ehrlichkeit in zehn Worten zusammenfassen:
Wer die Wahrheit äußert, sollte die dadurch geweckten
Bedürfnisse befriedigen.
Diese zehn Worte sind der Schlüssel, jede Wahrheit zu sagen, die man schon immer sagen wollte, und zwar so effektiv, wie man sich das nicht hätte träumen lassen. Dabei handelt es sich nicht um ein abstraktes Prinzip, sondern vielmehr um eine
Faustregel für richtiges Handeln. Einer meiner Klienten sagte einmal: „Menschen können schwierig und die Wahrheit nicht
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einfach sein, aber mit diesem Prinzip weiß ich immer, wie ich vorgehen muß.”
Das Ziel verfehlen
Das passiert, wo dieses Prinzip nicht befolgt wird. Wenn man beispielsweise mit der Wahrheit herausplatzt, verhält man sich, als gäbe es einzig das Bedürfnis, die Wahrheit zu hören.
Verschweigt man sie hingegen, tut man, als könne man nur
durch Schweigen den Bedürfnissen anderer gerecht werden.
Aber keine der beiden
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