Ich muss Sie küssen, Miss Dove
sie nicht zu heiraten und zu versorgen brauchen. Vollkommen abwegig."
„Das ist nicht abwegig, sondern ein vernünftiger Ansatz, denn ..."
„Und warum das alles?", fuhr sie unbeirrt fort. „"Weil du eine so zynische Einstellung zur Ehe hast."
„Ich bin nicht zynisch!", polterte er los, ehe ihm einfiel, dass man mit Diana über dieses Thema einfach nicht diskutieren konnte, und er sich wieder dem eigentlichen Problem zuwandte. „Ich habe Miss Dove eine Chance gegeben, die niemand anders ihr gegeben hätte. Ich habe sie aus vielen Bewerbern ausgesucht. Und nach fünf sehr zufriedenstellenden Jahren geht sie einfach weg und kündigt. Ohne Grund, ohne Vorwarnung, ohne ein weiteres Wort." Harry wurde langsam gereizt. „Wie konnte sie mir das antun, nach allem, was ich ihr ermöglicht habe? Wo bleibt ihre Loyalität?"
„Ich verstehe nicht, warum dich das so erschüttert. Hol dir eine andere Sekretärin, du findest sicher ganz leicht eine. Ruf eine Vermittlungsagentur an."
„Ich habe nicht vor, eine andere Sekretärin zu engagieren. Ich bin sehr zufrieden mit der, die ich habe."
„Hatte", verbesserte seine Schwester. „Sie hat gekündigt."
„Ich weigere mich, ihre Kündigung anzunehmen, und wenn ich mit ihr spreche, dann sage ich ihr das auch. Ich erlaube ihr nicht wegzugehen."
„Du willst sie drangsalieren? 0 ja, so kommt sie ganz gewiss auf der Stelle zurück."
Er starrte seine lächelnde Schwester aufgebracht an. „Hast du einen besseren Vorschlag?"
„Da ich mir ohnehin nicht vorstellen kann, dass eine vernünftige Frau überhaupt für dich arbeitet, kann ich dir keine großen Ratschläge geben. Aber du könntest damit anfangen, herauszufinden, warum sie gekündigt hat. Es muss doch einen Grund geben, warum sie das so wortlos getan hat."
„Einen Grund?" Das brachte ihn ein wenig aus der Fassung, und er fing an zu grübeln. „Ich habe ihr neues Manuskript abgelehnt."
„Das war doch nicht das erste Mal, oder?"
„Ja, aber es schien sie besonders hart getroffen zu haben. Ich warte jetzt ein, zwei Tage ab, dann gehe ich zu ihr. Bis dahin ist sie bestimmt darüber hinweg."
„Wenn das denn wirklich der Grund für ihre Kündigung ist."
Harry hörte gar nicht hin, er hing seinen eigenen Gedanken nach. „Sie ist eine sehr vernünftige Person", dachte er laut. „Sie neigt ganz und gar nicht zu unvernünftigen, spontanen Entscheidungen wie dieser. Nach zwei Tagen sieht sie sicher ein, dass sie einen Fehler gemacht hat, und ist wahrscheinlich erleichtert, wenn ich ihr ihre Stelle wieder anbiete. Sie wird dankbar sein für die Gelegenheit, ihren Fehler wieder gutzumachen."
„Dankbar?"
„Ich sage ihr, dass ich ihr nichts nachtrage, gewähre ihr eine Gehaltserhöhung, und damit ist der Fall dann erledigt."
Diana brach in schallendes Gelächter aus. Sie drehte sich um und ging zur Tür.
„Was ist daran so erheiternd?"
„Lass es mich wissen, ob dein Vorhaben Erfolg hat, ja?" Sie griff nach der Türklinke. „Ich nehme an, dass du nicht mit zu Edmunds Fest kommst?" Ohne seine Antwort abzuwarten, verließ sie das Büro.
Emma ermahnte sich, nicht allzu aufgeregt zu sein. Sie hielt die Hände fest auf Mrs. Bartlebys Manuskripten verschränkt, die auf ihrem Schoß lagen, bemühte sich, nicht auf dem Stuhl hin und her zu rutschen, und verbannte den Gedanken aus ihrem Kopf, dass ihre ganze Zukunft von dem abhing, was heute geschah.
Was sie hier tat, versprach keine Sicherheit. Es war auch nicht vernünftig. Aber das Bedürfnis nach Sicherheit und Vernunft lag hinter ihr.
Vor zwei Tagen, in dem kleinen Laden in der Regent Street, war sie zusammengebrochen. Nachdem sie die Nacht ihres dreißigsten Geburtstags damit verbracht hatte, ihr Kopfkissen zu umarmen und in Mr. Pigeons weiches Fell zu weinen, hatte sie sich wieder gesammelt. Am Sonntagmorgen war ihr klar geworden, was es zu tun galt. Nach der Kirche und einem inbrünstigen Gebet um göttlichen Beistand war sie in den Verlag gegangen, hatte ihre Kündigung getippt und sie Marlowe auf den Schreibtisch gelegt.
Sicher, es war nicht richtig, die vierzehntägige Kündigungsfrist nicht einzuhalten. Aber in zwei Wochen hätte sie zu viel Zeit zum Nachdenken gehabt, zu viel Zeit für Zweifel an ihrem Entschluss und zu viel Zeit, sich von Marlowe wieder umstimmen zu lassen. Jetzt war Montag, er hatte das Schreiben und es gab kein Zurück mehr.
Das war der Anfang eines neuen Tages - und einer neuen Emma Dove. Nie wieder würde sie tatenlos dasitzen,
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