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Ich muss Sie küssen, Miss Dove

Titel: Ich muss Sie küssen, Miss Dove Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lee
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musste morgen früh wieder an ihrem Schreibtisch sitzen, sonst brach wahrscheinlich eine Meuterei unter seinen Angestellten aus.
    Er zog seinen Hut und verneigte sich. „Miss Dove."
    „Was machen Sie denn hier?" Sie warf einen Blick auf die an ihre gestärkte weiße Bluse geheftete Uhr. „Es ist halb sieben. Ist Lord Rathbournes Fest schon zu Ende?"
    „Ich bin gar nicht erst hingegangen." Er hielt ihren Brief hoch. „Meine Sekretärin hat gekündigt. Deswegen ist in meinem Verlag ein furchtbares Durcheinander ausgebrochen, die Abendausgabe ist zu spät herausgegangen und ich habe die Feier verpasst."
    „Das bedauere ich.”
    Sie sah gar nicht aus, als bedauerte sie irgendetwas. Im Gegenteil - sie wirkte beinahe erfreut. Da war so ein leichtes Zucken um ihre Mundwinkel, das andeutete, dass seine Probleme sie eher amüsierten. Harry dachte an den höllischen Tag, der hinter ihm und seiner Belegschaft lag, und konnte ihre Belustigung nicht teilen. „Es scheint mir, als ob unsere Notlage nach Ihrer Kündigung Sie mit Befriedigung erfüllen würde, Miss Dove."
    „Ganz und gar nicht." Eine höfliche, oberflächliche Antwort — und eine Lüge. Emma konnte ihre Genugtuung nicht verbergen.
    „Sie sollten aber zufrieden sein", sagte er und steckte das Schreiben wieder in die Brusttasche seines Jacketts. „Ohne Sie sind meine Angestellten wie in Panik geratene Kaninchen herumgelaufen."
    „Aber Sie nicht, dessen bin ich mir sicher."
    „Ich war viel zu überrascht, um in Panik geraten zu können. Ihre Kündigung traf mich höchst unerwartet."
    „Tatsächlich?" Der gelassene Ausdruck auf ihrem Gesicht verschwand und machte einer seltsamen Härte Platz.
    „Jawohl." Harry deutete in ihre Wohnung. „Dürfte ich einen Augenblick mit Ihnen darüber reden?"
    „Es handelt sich um eine unmissverständliche Kündigung. Was gibt es da noch zu besprechen?"
    „Ist es nach fünf Jahren nicht wenigstens eine Frage der Höflichkeit, ein klärende Unterhaltung darüber führen zu wollen?"
    Emma zögerte, und ihr Mangel an Begeisterung war nicht gerade ermutigend. Vielleicht hatte er doch überstürzt gehandelt und ihr nicht genug Zeit gelassen, die Folgen ihrer Entscheidung zu überdenken, aber es ging nun einmal nicht anders.
    „Hat Sie jemand heraufkommen sehen?", fragte sie und blickte an ihm vorbei. „Meine Hauswirtin? Ein Bediensteter?"
    „Nein." Ihm fiel wieder das Schild im Fenster ein und er ahnte den Hintersinn ihrer Frage, aber die Reaktion einer neugierigen Hauswirtin oder ihrer Bediensteten war seine geringste Sorge in Anbetracht der Tatsache, dass er dabei war, seine Sekretärin zu verlieren. „Niemand hat mich gesehen, Miss Dove. Aber wenn ich noch länger hier im Flur herumstehe, wird das irgendwann der Fall sein."
    Sie zog die Tür weiter auf, um ihn einzulassen. „Nun gut. Sie können einen Moment eintreten, aber wenn Sie gehen, sorgen Sie bitte dafür, dass Sie nicht bemerkt werden. Ich möchte nicht, dass jemand ... auf falsche Gedanken kommt."
    Das Wohnzimmer in ihrer Wohnung überraschte ihn, denn mit so etwas hatte er nicht gerechnet. Es wirkte gelinde gesagt zwanglos, mit einer Tendenz zum Exotischen. Auf dem Kaminsims waren Messinggefäße für Räucherwerk aufgestellt, ein Kupferkessel diente zur Aufbewahrung von Kohle, ein großer runder Korb quoll über vor lauter bunten Kissen, und ein türkischer Teppich bedeckte den Boden. Es gab zwei dick gepolsterte, mit cremefarbenem Samt bezogene Sofas, zwischen denen ein runder Polsterhocker aus Leder stand, der seltsamerweise als Teetisch zu dienen schien, denn auf ihm befand sich ein Teeservice.
    Bronzefarbene Chintzvorhänge umrahmten die beiden Fenster, durch die die Nachmittagssonne warm ins Zimmer schien. Zwischen den Fenstern standen ein Bücherschrank mit Glastüren voller Bücher und eine dunkle Walnusskommode mit unzähligen Schubladen. Am anderen Ende des Zimmers führte eine kunstvoll geschnitzte Eichentür in einen weiteren Raum der Wohnung, durch die Balkontür daneben erreichte man die Feuertreppe. Auf einem kleinen Schreibtisch thronte die Schreibmaschine. Ein bunt bemalter, hölzerner Paravent trennte einen kleinen Alkoven vom Wohnzimmer ab. Obwohl die Wohnung klein war, vermittelte sie den Eindruck überaus gemütlicher Wohnlichkeit — genau das Gegenteil von dem, was er von der nüchternen Miss Dove erwartet hatte.
    Irgendetwas streifte seine Beine, und als er nach unten blickte, entdeckte er eine riesige Katze. Sie strich um ihn herum,

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