Ich muss Sie küssen, Miss Dove
schmiegte sich an ihn und hinterließ zweifellos Unmengen rötlicher Haare auf seiner grauen Anzughose. Harry betrachtete sie skeptisch. „Sie haben eine Katze."
„Einen Kater. Das ist Mr. Pigeon." Emma setzte sich auf eins der Sofas und bedeutete Harry, auf dem anderen Platz zu nehmen.
In dem Moment, als er sich niederließ, sprang das Tier auf seinen Schoß. Erstaunt, dass ein so großes, dickes Tier überhaupt so beweglich war, sah er zu, wie es sich auf seinen Oberschenkeln zusammenrollte und genüsslich zu schnurren begann.
„Er mag Sie", stellte Miss Dove überrascht fest.
„Ja." Harry seufzte. Er hatte sich schon seit Langem damit abgefunden, dass Katzen ihn vergötterten. Als der Kater die Krallen in seinen Oberschenkel grub und hingebungsvoll zu treten anfing, beschloss Harry, die Situation schicksalsergeben hinzunehmen. „Mr. Pigeon? Ein ungewöhnlicher Name."
„Ich habe ihn so getauft, weil er auf dem Dachboden immer den Tauben auflauert. Das hat er schon getan, als er noch ganz klein war. Wenn er eine fängt, bringt er sie mir immer über die Feuertreppe."
„Wie reizend." Was für blutrünstige Geschöpfe Katzen doch waren. „Miss Dove", begann er und schob den Albtraum aller Tauben so sanft wie möglich von seinem Schoß. „Ich bin mit dem sprichwörtlichen Ölzweig in der Hand gekommen. Mir ist klar, dass meine Ablehnung Ihres Manuskripts Sie tief getroffen hat, aber Sie wissen, dass ich mich in solchen Dingen auf meinen Geschäftssinn verlassen muss."
„Selbstverständlich. "
„Ich kann nichts veröffentlichen, was meiner Meinung nach keinen Gewinn einbringen wird." Er lächelte vorsichtig. „Ich wäre in der Tat ein armseliger Geschäftsmann, wenn ich so unkluge Entscheidungen treffen würde."
„Gewiss."
Es herrschte für längere Zeit Stille, und Harry bekam allmählich das Gefühl, als stemmte er einen Felsblock bergauf. Dennoch ließ er sich nicht beirren. „Ich habe verstanden, dass Sie sich in Ihren Gefühlen verletzt und sicher auch entmutigt fühlen durch meine Reaktion auf Ihr Werk, aber das rechtfertigt doch bestimmt keine Kündigung."
„Erstaunlich, wie gut Sie sich mit meinen Gefühlen auskennen."
Harry beschloss, die Strategie zu ändern. „Was werden Sie jetzt tun? Wo wollen Sie hin? Eine ordentliche Stelle ist heutzutage nicht leicht zu kriegen, schon gar nicht für eine Frau." Er deutete mit dem Finger um sich. „Kein anderer Arbeitgeber in London wird Ihnen ein Gehalt zahlen, mit dem Sie sich eine solche Wohnung leisten können."
„Mylord ..."
„Doch selbst wenn Sie eine andere Arbeit finden, mit der Sie genug verdienen, um nicht umziehen zu müssen — was ist, wenn es Ihnen dort nicht gefällt? Oder wenn Ihr Arbeitgeber Sie schlecht behandelt?" Er machte ein betont teilnahmsvolles Gesicht. „Die Welt kann sehr hart sein für eine alleinstehende Frau, Miss Dove. Was wird aus Ihnen? Ohne mich ist Ihre Zukunft sehr unsicher, wissen Sie."
„Wie gütig von Ihnen, so um meine Zukunft besorgt zu sein." Der Sarkasmus in ihrer Stimme trat immer deutlicher zutage.
„Ich mache mir um uns beide Sorgen, wenn Sie nicht zurückkommen", erwiderte er. „Und auch um meine Belegschaft. Sie werden von ihr ebenso hoch geschätzt wie von mir."
Emma lächelte ihn an. „Weder Sie noch sonst jemand bei Marlowe Publishing braucht sich um meine Zukunft zu sorgen. Wissen Sie, ich habe bereits eine neue Anstellung gefunden."
Harry richtete sich kerzengerade auf dem Sofa auf. „Wie bitte? Schon?"
„Ja. Ich arbeite jetzt für Lord Barringer."
„Barringer?" Harry war entsetzt. „Für diesen aufgeblasenen, selbstgerechten Heuchler?"
Ihr Lächeln wurde breiter. „Genau für den."
Er schüttelte den Kopf. Das konnte einfach nicht wahr sein. „Barringer hat eine Sekretärin eingestellt? Ich fasse es nicht."
„Er hat mich nicht als Sekretärin eingestellt. Er wird meine Manuskripte veröffentlichen."
Harry fing an zu lachen, er konnte nicht anders. Diese Vorstellung war einfach zu abwegig.
Emma konnte diese Art von Humor natürlich nicht teilen. Ihr Lächeln erstarb, und ihre Augen wurden ganz schmal.
Harry wurde sofort wieder ernst. „Verzeihen Sie mir. Ich fürchte, Sie haben den Grund für meine Erheiterung falsch interpretiert, Miss Dove. Es lag einfach an der Ironie der Situation."
„Der Ironie?"
„Ja. Wie ich sehe, muss ich Ihnen Barringer etwas genauer beschreiben. Obwohl er ein Earl ist und ganz wie ein Gentleman auftritt, ist er Letzteres auf gar
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