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Ich muss Sie küssen, Miss Dove

Titel: Ich muss Sie küssen, Miss Dove Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lee
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unpersönliche Distanz zu ihrem gut aussehenden Arbeitgeber zu wahren. Männer sind nun mal wie sie sind, hatte Tante Lydia oft gesagt. Da war es eben Aufgabe der Frauen, peinlichst genau darauf zu achten, dass die Grenzen der Schicklichkeit eingehalten wurden.
    Aber er hat mich berührt, Tante Lydia. Er hat mich berührt.
    Es war falsch von ihr gewesen, das zu erlauben.
    Emma setzte sich auf und schlang die Arme um ihre angezogenen Knie, ehe sie den Kopf darauf sinken ließ. Ihr war heiß vor Scham und Schuldbewusstsein, auch wenn sie gleichzeitig eine leichte Erregung verspürte. Jetzt wusste sie, welche Wirkung die Berührung eines Mannes, und mochte sie noch so flüchtig sein, auf eine Frau haben konnte.
    Sie durfte nicht zulassen, dass das noch einmal vorkam.
    Seufzend ließ Emma sich wieder zurück in die Kissen sinken. Vielleicht machte sie sich ja unnötig Kopfzerbrechen. Mit diesem Gedanken versuchte sie, wieder zu entschlossenem Optimismus zurückzufinden. Vielleicht hatte ja Marlowe genau wie sie selbst eingesehen, wie unmoralisch dieser Vorfall gewesen war, und begegnete ihr in Zukunft angemessener. Schließlich war die Stimmung zwischen ihnen ja wieder recht neutral gewesen, nachdem sie nach unten in den Empfangssalon gegangen waren, und für den Rest des Nachmittags hatte er sich wie ein vollendeter Gentleman benommen.
    Trotz seiner Vorwarnung hatte sie seine Kritik nicht als grob empfunden. Und ihren Ausführungen über ihre neuen Ideen war er mit einer Aufmerksamkeit gefolgt, die ihr so von ihm noch nie zuteil geworden war. Sie hatte viel zu lange über die Essensauswahl bei einem Picknick geredet, trotzdem war ihm weder Langeweile noch Ungeduld anzumerken gewesen. Und obwohl er zwar ab und zu kurz zustimmend genickt hatte, war er die meiste Zeit still gewesen und hatte ihr ausgesprochen höflich zugehört.
    Vielleicht war ihr Urteil über Marlowe zu hart gewesen. Vielleicht war er gar nicht so unaufrichtig und lasterhaft wie sie ihm immer unterstellt hatte. Und doch, da Männer nun einmal waren, wie sie waren, lag es an ihr, dafür zu sorgen, dass sich so ein Vorfall wie der auf der Leiter niemals mehr wiederholte.

9. KAPITEL
Pandora ist ein äußerst unkooperatives Geschöpf. Weiblich eben.
    Lord Marlowes Junggesellenmagazin, 1893

    Bei ihrer Besprechung am Mittwoch strahlte Miss Dove wieder jene kühle, nüchterne Tüchtigkeit aus, die Harry von ihr gewohnt war. Das war zweifelsohne sehr klug von ihr und sehr vernünftig, zu ihrer beider Wohl, trotzdem war er ein wenig enttäuscht. Er hätte gern mehr von der anderen Miss Dove gesehen, von der, bei deren Lächeln es sofort heller im Raum wurde. Die Miss Dove, die fluchte, wenn sie sich allein wähnte. Die, die ihn nicht geohrfeigt hatte, als er ihre Hüften gestreichelt hatte.
    Ihre überarbeiteten Artikel waren ihm am Nachmittag zuvor von einem Boten gebracht worden, und Harry hatte alle von ihr vorgenommenen Änderungen akzeptiert. Der Artikel für die Herren hatte jedoch gründlich verbessert werden müssen, denn es war ganz offensichtlich, dass Miss Dove es noch nie nötig gehabt hatte, einen Butler einzustellen. Sie war jedoch mit seinen Korrekturwünschen einverstanden gewesen.
    Obwohl sie sich an diesem Tag genauso verhielt wie die Miss Dove, die er bisher gekannt hatte, war sie in letzter Zeit doch irgendwie anders geworden. Die Frau, die seine Sekretärin gewesen war, hätte niemals die Beherrschung verloren und ihn aus ihrer Wohnung geworfen. Sie hätte ihn niemals offen kritisiert oder mit ihm um Gewinnanteile bei einem Geschäft gefeilscht. Miss Dove hatte sich verändert, und er wusste nicht genau, wie es dazu gekommen war, aber es stand fest, dass sie anfing, ihn plötzlich zu reizen wie noch nie zuvor.
    Vielleicht hatte ihr unerwarteter Erfolg ihr ein neues Selbstvertrauen beschert, das ihm früher an ihr nicht aufgefallen war. Oder vielleicht lag es daran, dass sie ihm jetzt eine Aufmerksamkeit abverlangte, die er ihr vorher nie wirklich geschenkt hatte. Sein Blick fiel auf ihre weiße, gestärkte Bluse. Vielleicht hing es aber auch einfach damit zusammen, dass er sie sich immer wieder unbekleidet vorstellte.
    „Ich mache sie bis morgen druckfertig", versprach sie gerade und riss Harry aus seinen Gedanken.
    „Woher wissen Sie eigentlich so viel über diese Dinge? Über Kristall, Serviettenringe und das, was sich gehört?", erkundigte er sich neugierig.
    „Meine Tante Lydia war vor ihrer Ehe Gouvernante, und sie achtete peinlich

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