Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ich muss Sie küssen, Miss Dove

Titel: Ich muss Sie küssen, Miss Dove Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lee
Vom Netzwerk:
genau auf anständiges Verhalten. Von ihr habe ich gelernt, was sich gehört, wie Sie das nennen. Ich habe seit meinem fünfzehnten Lebensjahr bei ihr gewohnt."
    „Was ist mit Ihrer Mutter?"
    „Sie starb, als ich erst acht war. Ich kann mich kaum noch an sie erinnern." Miss Dove machte ein nachdenkliches Gesicht. „Sie hat mir immer aufgetragen, nicht im Schmutz zu spielen", murmelte sie. „Das weiß ich noch."
    „Sie durften nicht im Schmutz spielen? Warum denn nicht, um Himmels willen?"
    „Mein Vater mochte es nicht, wenn meine Kleider Flecken bekamen. Als Angehöriger des Militärs war er sehr korrekt, wissen Sie."
    Er verstand. Langsam bekam er einen sehr genauen Eindruck, wie ihre Kindheit gewesen sein musste — über alle Maßen trostlos. „Also zogen Sie mit fünfzehn zu Ihrer Tante. War sie verheiratet?"
    „Damals war sie schon Witwe und lebte in London, sogar ganz hier in der Nähe. Als mein Vater starb, zog ich zu ihr.”
    „Ihre Tante hat Sie und Ihren Vater nicht schon früher bei sich aufgenommen?", fragte Harry überrascht.
    Ein seltsamer Ausdruck legte sich plötzlich über Emmas Züge, hart, beinahe erstarrt, wie eine Maske. Als er sie so sah, erwachte in ihm ein Unbehagen, das er sich nicht erklären konnte. „Nein", antwortete sie nach einer Weile. „Mein Vater ... mochte meine Tante nicht. Sie war die Schwester meiner Mutter."
    Wahrscheinlich hatte die Tante den Vater genauso wenig gemocht, vermutete Harry. Irgendetwas an dieser Sache stimmte ganz und gar nicht. Das spürte er, und es gefiel ihm nicht. „Aber es wäre doch sicher besser für Sie gewesen, wenn Sie nach dem Tod Ihrer Mutter gleich bei Ihrer Tante gewohnt hätten?"
    „Nein." Sie lächelte gezwungen. „Zumindest glaubte mein Vater das nicht. Wie ich schon sagte, die beiden mochten sich nicht. Aber um Ihre ursprüngliche Frage nach dem Kristall und den Serviettenringen zu beantworten ..." Sie dachte kurz nach. „Ich weiß nicht genau, wie ich auf diese Ideen komme, sie fallen mir einfach ein. Ich lese eine Menge, ich mache lange Spaziergänge, beobachte dabei viel und schreibe mir dann die Dinge auf, die mich interessieren. Ich unterhalte mich mit vielen Menschen, mit Hausfrauen, Händlern und Handwerkern. Und natürlich besuche ich liebend gern Geschäfte. Heute, zum Beispiel, möchte ich die Gegend um den Covent Garden Market auskundschaften." Sie sah auf die Uhr, die an ihrer beigefarbenen Jacke festgesteckt war. „Ich würde sogar sagen, wenn wir hier fertig sind, sollte ich mich langsam auf den Weg machen. Es ist schon fast elf." Sie verstaute die Artikel in ihrer Aktentasche und erhob sich.
    Harry stand ebenfalls auf. „Ich würde Sie gern begleiten", entfuhr es ihm.
    Sie blieb stehen und bedachte ihn mit einem zweifelnden Blick. „Sie wollen mitkommen? Sie?"
    Er lachte. „Ich weiß, das klingt verblüffend."
    „Gelinde ausgedrückt. Sie hassen es, in Geschäfte zu gehen!”
    „Und Sie lieben so etwas. Und das ist genau der Grund, warum ich immer Ihnen das Besorgen von Geschenken aufgehalst habe. Sie können Geschenke viel besser aussuchen als ich. Sie haben das Talent, für jeden immer genau das Richtige zu finden."
    „Vielen Dank, Mylord. Es macht aber auch viel Freude, ein Geschenk auszuwählen, das der Empfänger wirklich zu schätzen wissen wird."
    „Wenn Ihnen das so viel Freude macht, warum übernehmen Sie diese Aufgabe nicht wieder für mich?"
    „Auf gar keinen Fall", winkte sie sofort ab.
    Er seufzte. „Sie sind so herzlos geworden. Denken Sie doch nur an meine armen Schwestern."
    Das schien sie nicht zu beeindrucken.
    „Miss Dove, ich bin wirklich nicht gut darin, Präsente zu kaufen", beharrte er. „Sie ahnen nicht, wie schrecklich das ist, wenn in zwei Tagen Weihnachten vor der Tür steht und Ihnen fällt immer noch nichts ein, was Sie besorgen könnten."
    „Das geschieht Ihnen ganz recht, wenn Sie so lange damit warten."
    „Mag sein, aber mir graut noch immer vor einem Weihnachten ohne Sie."
    „Das ist unnötig. Sie müssen nur genauer hinhören, was die Leute sagen. Und Sie müssen sich natürlich dazu durchringen einzukaufen."
    Er stöhnte auf.
    Das brachte sie zum Lachen. „Betrachten Sie einfach unseren kleinen Ausflug als ausgezeichnete Gelegenheit zum Üben."
    „Also gut. Ich werde mich bemühen, meine Einkaufsfähigkeiten zu verbessern, indem ich Ihnen zusehe."
    Und so machten er und Miss Dove sich auf den Weg zum Covent Garden Market, und in den nächsten beiden Stunden lernte

Weitere Kostenlose Bücher