Ich muss Sie küssen, Miss Dove
waren. Sobald er das Gefühl hatte, seine niederen Gelüste wieder unter Kontrolle zu haben, holte er sie am anderen Ende des Standes ein, wo sie auf ihn wartete. „Sind Sie hier fertig?"
Sie schüttelte den Kopf und hielt ein kleines Körbchen hoch. „Ich glaube, ich kaufe noch ein paar von diesen herrlichen Erdbeeren.
Harry gab einen erstickten Laut von sich und resignierte. Es war ja wohl auch nichts dabei, sich sinnliche Gedanken zu machen. Er musste nur darauf achten, diese nicht in die Tat umzusetzen.
Marlowe benahm sich sehr seltsam. Darüber grübelte Emma nach, als sie sich in den Victoria Embankment Gardens einander gegenüber auf dem Rasen niederließen und ein improvisiertes Mittagessen zu sich nahmen, bestehend aus kaltem Braten, Brot, Butter und Erdbeeren.
Er hatte gesagt, sie wäre schwer zu beeindrucken, doch sie hätte gar nicht gedacht, dass er das Bedürfnis haben könnte, sie zu beeindrucken. Trotzdem war nicht zu übersehen, dass er heute nicht ganz er selbst war. Da war dieser merkwürdige Gesichtsausdruck gewesen, als sie die Pfirsiche erwähnt hatte. Ein benommener, geradezu verträumter Ausdruck, als wäre Marlowe gerade in eine ganz andere, eigene Welt abgetaucht. Sie konnte sich keinen Reim darauf machen.
Und dann die Art, wie er immer auf ihren Mund starrte. So wie jetzt gerade wieder.
Emma ließ ihre Hand, in der sich eine Erdbeere befand, kurz vor ihrem Mund innehalten. „Warum machen Sie das andauernd?"
„Was denn?"
„Mich so anzustarren. Das ist höchst unangenehm."
„Ach ja?" Er wandte den Blick nicht ab. Stattdessen lehnte er sich nach hinten und stützte sich auf den Unterarmen ab. Den Kopf leicht zur Seite geneigt, fing er an zu lächeln.
„Dann habe ich immer das Gefühl, als hätte ich irgendetwas im Gesicht", erklärte sie. ;,Und warum grinsen Sie so? Habe ich irgendetwas Amüsantes gesagt?"
Er sah ihr direkt in die. Augen. „Sie haben nichts im Gesicht, und ich wollte Sie nicht anstarren. Ich bitte um Verzeihung. Ich versuche nur, Sie besser kennenzulernen, indem ich Sie beobachte. Ganz im Sinne unserer neuen Gleichberechtigung, Sie verstehen."
Obwohl er immer noch lächelte, klang er aufrichtig. Sie beschloss, ihrerseits ein versöhnliches Zeichen zu setzen. Schließlich mussten sie miteinander arbeiten. „Auch wenn Sie das vielleicht nicht glauben, aber es gibt durchaus Dinge, die ich an Ihnen bewundere."
„Sprechen Sie weiter", forderte er sie auf, als sie verstummte. „Hören Sie um Himmels willen nicht auf! Sie müssen mir unbedingt verraten, was an mir bewundernswert ist."
„Nun, Sie haben zum Beispiel einen ausgeprägten Sinn für Geschäftliches."
Er setzte sich auf, nahm sich eine Erdbeere und sah Emma reumütig an. „In Bezug auf eine gewisse Mrs. Bartleby hat der allerdings versagt."
„Jeder kann sich einmal irren. Außerdem habe ich längst verstanden, dass das, was ich schreibe, nicht Ihr Fall ist. Und Sie hatten recht damit, dass meine Beliebtheit durchaus nur etwas Vorübergehendes sein könnte. Sie hingegen können auf eine lange Erfolgsgeschichte verweisen, und das bewundere ich. Ich habe großen Respekt vor Ihrem Geschäftsverstand." Sie aß ihre Erdbeere und nahm sich eine weitere.
Marlowe hingegen schaute sie skeptisch an. „Ist das alles?", fragte er. „Sie haben Respekt vor meinem Geschäftsverstand?"
Emma machte ein erstauntes Gesicht. „Was haben Sie denn erwartet?"
„Das jedenfalls nicht", betonte er. „So befriedigend es auch sein mag zu wissen, dass Sie Respekt vor mir haben, aber sehr schmeichelhaft ist es nicht, wenn eine Frau das zu einem Mann sagt.
Sie warf ihm einen zweifelnden Blick zu, als wäre sie sich nicht ganz sicher, ob er sie vielleicht aufzog. „Sie erwarten also Schmeicheleien von mir?"
Er tat, als müsste er darüber nachdenken, dann nickte er. „Ja, das tue ich", bestätigte er schmunzelnd. „Nach Ihrer langen Auflistung meiner Fehler fühle ich mich in meinem männlichen Stolz verletzt. Ich benötige dringend etwas Aufmunterung."
Er konnte wirklich unmöglich sein. „Nein" , erwiderte Emma. Sie verschränkte die Arme und bemühte sich, nicht zu lachen. „Durch Schmeicheleien werden Sie nur eingebildet."
„Nicht, wenn Sie mir helfen, auf dem schmalen Pfad der Tugend zu bleiben." Er rückte näher zu ihr. „Ich weiß, Sie haben gesagt, Sie mögen mich nicht, aber ich weigere mich zu glauben, dass Sie mich für durch und durch schlecht halten. Da muss doch noch etwas anderes sein als nur
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