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Ich muss Sie küssen, Miss Dove

Titel: Ich muss Sie küssen, Miss Dove Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lee
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Fingerspitzen liebkost hatte, war dieses Gefühl so überwältigt gewesen, dass Emma nie im Leben auf die Idee gekommen wäre, ihn zu ohrfeigen. Seine Berührungen hatten ihre Vernunft und ihre festen Prinzipien in Luft aufgelöst. Wie beschämend, dass sie in ihren Überzeugungen so oberflächlich war.
    Sie warf ihm einen verstohlenen Seitenblick zu. So hatte er sich ihr gegenüber noch nie benommen. Natürlich hatte er sie manchmal aufgezogen und ab und zu Unsinn geredet, aber das war nicht das Gleiche. Die Art, wie er sie jetzt neckte, war sehr persönlich, vertraulich und verführerisch. Kein Mann hatte sie je zuvor so behandelt. Kein Mann hatte ihr je ungehörige Avancen gemacht, und dass Marlowe plötzlich dazu geneigt schien, verwirrte sie. So konnte er es sich jeder anderen Frau gegenüber herausnehmen, und wahrscheinlich hatte er das auch schon oft genug getan, aber mit ihr war das doch etwas anderes. Aber warum verhielt er sich dann so? Und warum jetzt?
    Ich würde Sie sehr gern küssen.
    In ihrer Jugend hatte sie manchmal an Mr. Parker gedacht und von Küssen geträumt. Diese Träume hatte sie schon vor langer Zeit verbannt und tief in ihrem Innern vergraben, zusammen mit ihrem gebrochenen Herzen und ihren zerschlagenen Hoffnungen. Doch sie spürte, wie diese heimlichen, romantischen Träume wieder zum Leben erwachten, Träume von den Küssen eines Mannes — eines Mannes, der viel weniger anständig und viel anmaßender war als Mr. Parker damals; eines Mannes, der sie küssen wollte und auch gar keinen Hehl daraus machte. Eines Mannes, der sie dazu brachte, sich wieder genau wie früher als junges Mädchen zu fragen, wie es wohl sein mochte, geküsst zu werden.
    Wieder sah sie ihn heimlich an und ein beinahe übermütiger, aufregender Schwindel überkam sie. Sie wollte von ihm geküsst werden. Es war falsch, wenn ein Mann eine Frau küsste, mit der er nicht verheiratet oder wenigstens verlobt war. Und Marlowe war wahrscheinlich der Letzte, der jemals heiraten würde. Er war ein unsteter Lebemann, der Affären mit Tänzerinnen pflegte. Und abgesehen davon wollte sie ihn ohnehin nicht heiraten.
    Sie blieben an der Ecke stehen, und Emma hob die Finger, die er geküsst hatte, an ihre Lippen.
    Genau in dem Moment wandte er ihr den Kopf zu und lächelte sie an. Ihr stockte der Atem, ihr Herz setzte vor lauter schmerzhafter Wonne einen Schlag aus. Das Gefühl war zu stark für sie. Ich bin eine ausgeglichene Person, sagte sie sich energisch, als sie die Straße überquerten. Sie geriet nicht in Erregung und sie wünschte sich auch nichts, was verboten war. Sie war nicht übermütig. Sie war nicht lasterhaft.
    „Stimmt etwas nicht, Emma?"
    Marlowes Stimme riss sie aus ihren Gedanken. „Ich verstehe nicht, wie Sie das fragen können, nach dem, was vorhin geschehen ist, Mylord."
    Er lachte. „Ich finde, nach dem, was geschehen ist, sollten Sie mich Harry nennen."
    Emma schnaubte. „Das sieht Ihnen ähnlich, Mylord ."
    Achselzuckend verlagerte er die Zeitung und die Pralinenschachtel für seine Schwestern von einem auf den anderen Arm. „Es war doch nur ein Kuss auf die Hand."
    „Bei Ihnen klingt das so harmlos!" Ihr wurde bewusst, dass sie die Stimme erhoben hatte, und sie schaute sich um, ob auch niemand in Hörweite war. Zum Glück übertönte der Verkehrslärm fast alles. „Ich bin vielleicht nicht so bewandert in solchen Dingen wie Sie", erklärte sie und drehte sich wieder zu ihm um. „Aber selbst ich weiß, dass Sie nicht einfach nur meine Hand geküsst haben! Sie haben ... Sie haben ..." Ihre Hand fing an zu prickeln, ihr wurde heiß und sie wusste nicht mehr, was sie sagen sollte.
    Sie wandte den Blick ab, steckte die Hände in die Taschen ihres Rocks und beschleunigte ihre Schritte. Marlowe hielt mühelos mit, er wirkte ganz entspannt. „Emma", beschwichtigte er sie, als sie in ihre Straße einbogen, „es ist nichts passiert." Seine freundliche Stimme machte alles nur noch schlimmer. „Ein harmloses Vergnügen."
    „Das war nicht harmlos. Es hätte jederzeit jemand in diesem Raum kommen und dann mit ansehen können, was Sie da machten!"
    „Es kam aber niemand."
    „Ja, aber es wäre möglich gewesen! Und dann hätte mein Ruf darunter gelitten, nicht Ihrer."
    Zum ersten Mal spiegelte sich so etwas wie ein schlechtes Gewissen auf seinen Zügen wider. „Sie haben mich nicht aufgehalten."
    „Sie wollten meine Hand ja nicht loslassen."
    „Sie haben nicht besonders energisch versucht, sie mir zu

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