Ich muss Sie küssen, Miss Dove
als wären wir auf einem Ball und..."
„Das kann ich nicht", fiel er ihr ins Wort. „Ich kann nicht so tun, als wären wir auf einem Ball, solange Sie dieses scheußliche Ungetüm von einem Hut aufhaben."
„Er ist nicht scheußlich!", begehrte sie empört auf, fasste aber unwillkürlich nach ihrer Kopfbedeckung. „Was stört Sie an ihm?"
„Alles. Warum sich Frauen heutzutage all diese Federn an ihre Hüte stecken, ist mir ein Rätsel. Sie sehen so aus, als hätten Sie das Hinterteil eines Straußes auf dem Haupt. Außerdem ist die Krempe viel zu breit. Nur wenn Sie den Kopf nach hinten legen, kann ich Ihr Gesicht erkennen, und ich betrachte es gern. Nehmen Sie ihn ab."
Seine Kritik an ihrem besten Hut, für den Federn im Wert von einem Shilling nötig gewesen waren, um ihn nach der neuesten Mode umzudekorieren, war sofort vergessen wegen der Bemerkung über ihr Gesicht. Emma steckte kurz den Fächer zurück in ihre Tasche, um die Hände frei zu haben. Anschließend zog sie die Hutnadel heraus, setzte den Hut ab und legte beides auf den Schreibtisch. Dann nahm sie wieder den Fächer zur Hand. „Und nun, wie ich schon sagte, tun Sie so, als wären wir auf einem Ball. Sie sind soeben hereingekommen, und obwohl wir uns noch nie begegnet sind, erblicke ich Sie und Sie gefallen mir sofort."
„Den Teil brauchen wir nicht zu spielen", meinte er mit einem Lächeln, das unbeschreiblich selbstzufrieden wirkte. „Sie finden mich gut aussehend, schon vergessen?"
In gespielter Strenge runzelte sie die Stirn. „Geben Sie gut acht", forderte sie ihn auf und öffnete den Fächer weit. „Merken Sie, wie ich ihn halte? In der linken Hand, vor meinem Gesicht, und über den Rand schaue ich Sie an. Das bedeutet, dass ich Ihre Bekanntschaft zu machen wünsche."
Er neigte den Kopf zur Seite und sah sie prüfend an. „Und wenn Sie ihn nun in der rechten Hand gehalten hätten, wäre die Bedeutung eine andere gewesen?"
„Ja, damit hätte ich Ihnen ein Zeichen gegeben, mir zu folgen. Dann hätte ich den Raum verlassen, und Sie wären kurze Zeit später nachgekommen."
Er warf ihr einen zweifelnden Blick zu. „So etwas haben die Leute früher wirklich getan? Das haben Sie nicht erfunden?"
Emma lachte. „Genau das Gleiche habe ich meiner Tante damals auch unterstellt. Ich sagte ihr, ein Fächer wäre wohl kaum geeignet, geheime Botschaften zu übermitteln, denn jeder würde ja dabei zusehen und verstehen, was man beabsichtigte. Sie bestand jedoch eisern darauf, dass sie und ihre Freundinnen auf Bällen genau auf diese Art mit den Männern kommuniziert hätten."
Er schüttelte den Kopf. „Das glaube ich nicht. Männer würden so etwas nie mitmachen. Es ist viel zu kompliziert und raffiniert. Wie soll ein Mann erkennen können, ob eine Frau wirklich gerade ihn meint, oder ob sie sich tatsächlich nur Luft zu fächelt? Was Sie mir da eben gezeigt haben, ist viel zu missverständlich für einen Mann. Wir ziehen die direkte, eindeutige Ansprache vor."
„Ja, aber Frauen dürfen nun einmal nicht direkt sein. Wenn ich Sie gern näher kennenlernen würde, kann ich nicht einfach auf Sie zugehen und mich vorstellen."
„Schade genug. Ich spreche mit Sicherheit im Namen aller Männer, dass wir es hinreißend fänden, wenn die Frauen genau das täten."
„Das glaube ich Ihnen gern, aber so ist es nun einmal nicht üblich, und das wissen Sie so gut wie ich. Natürlich könnte ich mich bei meinen Freunden umhören, ob die Sie vielleicht kennen und uns miteinander bekannt machen, aber vielleicht wäre mir auch das zu auffällig. Gerüchte verbreiten sich schnell."
„Gott bewahre, wenn die Gesellschaft den Frauen je gestattet, geradlinig und ohne Umschweife zu handeln! Nun gut, nehmen wir jetzt an, ich hätte Ihren angedeuteten Wunsch, mich kennenzulernen, richtig verstanden." Er kam quer durch das Zimmer auf sie zu. „Und da ich eine große Schwäche für rothaarige Frauen habe, will ich nun auch wissen, wer Sie sind."
Emma hielt überrascht den Atem an, und ihre Hand schloss sich fester um den Fächer. „Aber Sie ziehen doch schwarzhaarige Frauen vor."
Er blieb vor ihr stehen und sah ihr in die Augen, während er sich eine gelöste Haarsträhne von ihr langsam um den Finger wickelte. „Ich bin gerade dabei, meine Meinung zu ändern."
Seine Finger streiften ihre Wange, als er Emma die Strähne hinter das Ohr strich. Ihr wurde schwindelig bei dieser federleichten Berührung.
„Haben Sie Ihre Meinung auch geändert,
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